Vertrauenskrise im Journalismus: Ruhig aufregen

Zweifelhafter Job (Quelle: Wikimedia)

Zweifelhafter Job (Quelle: Wikimedia)

Wir Journalistinnen un d Journalisten regen uns (und andere) immer so leicht auf. Vor allem, wenn es um die eigene Sache geht. Dafür gibt es derzeit auch genügend Anlass, denn das Vertrauen der Gesellschaft in ihre Medien sinkt. Stimmungsbilder wie die Umfrage des NDR-Medienmagazins ZAPP bieten sowohl Grund zur Selbstreflexion als auch eine glänzende Gelegenheit, die Nerven zu behalten. Also ruuuuhig aufregen.

Das ist natürlich leicht gesagt, wenn derart massiver Druck von allen Seiten kommt. Bestenfalls erklären Kritiker den journalistischen Berufsstand nur für überfordert und reformbedürftig. Wenn es übler läuft, heißt es „Ihr habt ausgedient.“ Oder gleich: „Lügenpresse“. Von konstruktiver Kritik bis zu unverhohlener Aggression, Marke Endphase Weimarer Republik, ist alles dabei.

Reden wir nicht drum herum: Ja, Kritik am Medienhandeln ist zu oft berechtigt. Aber Nein, sie ist nicht neu. Ja, es gibt Lösungsansätze und: Nein, es gibt keine Erfolgsgarantie. Ob wir uns nun darüber aufregen oder gelassen bleiben, die Botschaft (zumindest meiner) Erfahrung lautet: Der Kampf um Haltung, Neutralität und Qualität der Medien geht weiter. Vermutlich ewig.

Inzwischen steht die Behauptung von den manipulierten/manipulierenden „Mainstream-Medien“ gleichberechtigt neben dem scheinkritischen Mantra: „Die Politik hat versagt.“ Journalisten/-innen müssen diesen fragwürdigen Zustand aushalten und können sich bei der Gelegenheit ja mal selbst fragen, ob jede pauschalierende Kommentarfloskel wirklich hilfreich ist.

Wie immer unter den Bedingungen der digital vernetzten Gesellschaft(en), schaukelt sich gerade alles sehr schnell sehr hoch. Bedingt durch die überwältigenden existentiellen Herausforderungen der gesellschaftlichen Gegenwart. Wirtschaftliche Krisen und kriegerische Konflikte etwa. Jetzt kommt der Funktion „Herstellung von Öffentlichkeit“ eine überragende Rolle zu und es wird dementsprechend intensiv debattiert. Gebraucht wird sie aber auch in Zukunft.

Es wirkt daher auf Dauer wenig vertrauensstiftend, wenn die Kommunikatoren-Branche ständig zwischen Unbelehrbarkeit und Hysterie zu pendeln scheint. Wir haben uns da ein wenig in der eigenen Medienlogik verfangen, die auf Zuspitzung, manchmal Alarmismus beruht. Kritik an sich ist noch kein Angriff auf die publizistitsiche Unabhängigkeit. Nie können wir mit dem Mediensystem, den publizistischen Betrieben oder auch nur mit der eigenen Arbeit vollends zufrieden sein.

Seit der Erfindung eines Berufes namens Journalismus war dessen Ruf schließlich stets zwielichtig und sein wirtschaftlicher Status wacklig. Zweitklassige Schriftsteller und erstklassige Schnorrer halt. Übrigens stellte einmal ein Forscher zur Pressegeschichte des 19. Jahrhunderts [Requate, Jörg 1999] fest, dass die meisten abfälligen Urteile über Journalisten von den eigenen Kollegen stammten.

Das Vertrackte: Man benötigt ein funktionstüchtiges Mediensystem, um dessen Funktionsprobleme zu diskutieren. Aber so schlecht sind die Voraussetzungen gar nicht, mitten im Internetzeitalter. Entscheidend wird sein, ob „das Netz“ sich nur als disruptive Erlösung inszeniert oder als Dialogmedium den Prozess des Wandels moderiert. Daran können wir alle uns beteiligten.

Wir sollten allerdings niemals übersehen, dass es beim Zugang zur öffentlichen Aufmerksamkeit um sehr viel geht. Und zwar für alle. Deshalb gibt es auch keine interessenslose Kommunikation, keine reine Lehre und kein optimales System, auch kein maschinelles. Dafür sind die Interessen zu verschieden. Das Informations-Geschäft ist so bedeutend, dass politische, technologische und wirtschaftliche Eliten hier heftig um Dominanz ringen.

Solange eine Gesellschaft allerdings das eigene Mediensystem derart offen kritisch diskutieren kann, haben wir schon einmal ermutigende Bedingungen: Die Beteiligten sind im Gespräch und diese Dialoge finden in Freiheit statt. Immerhin gibt es wissenschaftliche Hinweise, denen zufolge der Status der Medien eigentlich nur in autoritären Staaten unbestritten ist. Die Ruhe der Friedhöfe.

Zwei Grundsätze für den Umgang mit der Medienvertrauenskrise nach dem Prinzip „Aufregen, aber in Ruhe“:

Erstens: Stets die eigene Arbeit und die eigenen Fehlleistungen überdenken. Maßstäbe offenlegen und sich daran halten. Nur so lässt sich neues Vertrauen stiften und das bisherige erhalten.

Zweitens: Die Interessen der anderen Akteure recherchieren und verdeutlichen. Denn einige Kritiker werden sich kaum überzeugen lassen, weil sie nicht die Kompetenzfrage stellen, sondern die Machtfrage.

In diesen Tagen darf Journalismus einmal mehr Charakter beweisen.

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