So lebendig kann Zeitungssterben sein

 

„Wir müssen reden!“ lautet ja eine softe Floskel, wenn es Probleme gibt. Das medienfachliche „Digitale Quartett“ hat dies im Web getan, indem es sich zu einem Oktett erweitert hatte. Mit dem Newsroom-Leiter Bülend Ürük, dem Online-Chef der Rhein-Zeitung (Koblenz), Marcus Schwarze, dem Schweizer Autoren Constantin Seibt sowie mit Cordt Schnibben vom SPIEGEL. Er hat die aktuelle Debatte über die Zukunft des Printjournalismus angestoßen. Mit der Ulrike Langer, Richard Gutjahr, Daniel Fiene und Thomas Knüwer haben sie geredet. Und das war gut so. Spannend und aufschlussreich. Ein Web-TV-Tipp.

Oft war in der Diskussion von technischer Innovation die Rede. Man könnte sich jetzt über die teilweise absurde Tonqualität dieser Internetschalte mokieren. Wäre jedoch hochmütig. Denn im ehrenamtlichen Teil des Internet ist wohl vieles verzeihlich, weil ja alles billig sein muss. Vor allem aber hat die Diskussion viel aufschlussreichen Inhalt produziert.

Marcus Schwarze als wackerer Vertreter der gut aufgestellten (eigene Aussage) Internetausgabe des Regionalblatts „Rhein-Zeitung“ verwahrte sich ein ums andere Mal gegen die Angriffe der Digital-Avantgarde, Print befände sich immer noch im „Dornröschenschlaf“ und die Online-Auftritte der Zeitungen seien in der Regel Mist. In diesen Szenen geriet  Thomas Knüwer ganz grundsätzlich in Rage über Giovanni di Lorenzo (der die Zeitungen „nicht schlechtreden“ lassen möchte) und erteilte Richard Gutjahr den konventionellen Journalisten die glatte Note „6“ für Zukunftsverweigerung.

Man bekommt den Eindruck, das alles musste einfach mal raus. Nach jahrelanger – in Bezug auf die Vergütung immer noch aktueller – Vernachlässigung der Digitalen durch die Etablierten macht sich der Ärger missachteter Propheten Luft. Auch wenn sie sich damit trösten können, dass sie ja jetzt große Konjunktur haben, wurde sogar noch ein bisschen nachgetreten. Keine besonders differenzierten Dialoge, aber sehr spannende.

Genau von dieser Feindbild-Erfahrung hatte Cordt Schnibben zuvor in seiner Zwischenbilanz der Aktion „2020“ gesprochen. „Digitale Stalinisten“ würden da immer noch auf „Analoge Maoisten“ einhämmern und umgekehrt. Eines seiner Ziele sei es, die Fachdebatte in eine breitere Öffentlichkeit zu tragen. Auch wenn dies für die Experten kalter Kaffee ist.

Geradezu verstörend wirkte Cordt Schnibbens Hinweis, der journalistische Nachwuchs würde mittlerweile exzellent auf das Crossmedia-Storytelling vorbereitet, fände nur leider kaum noch feste Jobs. Nicht weniger herb war die Aussage von Constantin Seibt, in den Online-Redaktionen würden junge Menschen „wie Kindersoldaten verheizt“. Wirtschaftlicher Druck (Kosten) und technische Zwänge (Zeitmangel)

Wie immer fiel die Kritik am Bestehenden wesentlich ausführlicher aus als die Beschreibung dessen, wie es sein sollte. Neben wenigen konkreten Ansätzen – auf „geile Apps“ setzen, so wie in den USA (Ulrike Langer) oder programmierte Pegelstände bei Flutkatastrophen online stellen (Richard Gutjahr) – gab es doch eher allgemeine, wenn auch kluge Hinweise.

Das stört aber nicht, denn die Runde hat entscheidende Punkte klar herausgearbeitet. Beispielsweise den Spagat, den Medienbetriebe vollführen müssen: Zwischen dem (noch) Massenpublikum auf der einen und dem (noch nicht so zahlreichen) Online affinen Milieu. Die einen wollen traditionell bedient werden und die anderen wollen nur für das zahlen, was sie gut finden. Beide Gruppen werden zunehmend schlechter bedient. So knapp sind die Mittel und so aufwändig die Veränderungen.

Lösungen angesichts der Zeitungs- oder Medienkrise? Im Moment ist Dialog die Lösung. Und zwar keine schlechte.

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