In meiner kleinen Linkliste auf dieser Seite habe ich auch „120 Sekunden“ von Martin Giesler aufgeführt. Der ZDF-Journalist betreibt einen privaten Blog, in dem er ein paar Bretter über den tiefen Graben zwischen der alten und der neuen Medienwelt verlegt. Besonders anregend fand ich seinen Post zu Entwicklungen in den USA, „die die Grenzen des Journalismus neu verhandeln“.
Zu diesem Beitrag habe ich als Kommentar einige Anmerkungen hinterlassen (oder habe das zumindest versucht). Ich stelle meine Gedanken hier auch noch einmal ein und empfehle, zum besseren Verständnis, dem obigen Link zu folgen.
Vorweg: Ich finde den sehnsüchtigen Blick zu den Labs der USA, dem Stammsitz der NSA, etwas zweischneidig. Anhand der dortigen Medienentwicklung kann man jedoch mindestens lernen, was hierzulande fehlt oder unbedingt zu vermeiden wäre. Die Huffington Post ist in diesem Doppel-Sinne ein gutes Beispiel. Schwierig wird es immer bleiben, die Verknotung von großen Zielen wie unabhängigem Journalismus und profanen Geschäftsmodellen zu entwirren. Oder „Strategien“, wie es in dem Post „120 Sekunden“ heißt.
Strategie 1: Social Media als exklusiven Kanal nutzen
Beim Beispiel „Nowthisnews“ finde ich vor allem eines witzig: Wenn (Kurz-) Filme für Social Media hergestellt werden, dann sind sie auf einmal kein Fernsehen mehr, sondern „originärer Content“.
Strategie 2: Komplett auf mobile setzen
„Circa News“ „atomisiert“ gemäß eigener Aussage Nachrichten für ein (junges) Publikum, das angeblich nur noch mobile Geräte nutzt und angeblich keine längeren Texte mehr lesen will. Angeblich.
Strategie 3: Der Experte
Web-Reporter-Stars wie Tim Pool (streamte beispielsweise Occupy-Krawalle) gehört zweifellos die Zukunft der „Front-Berichterstattung“ in Zeiten des technologischen Wettrüstens. Für mich ist das mehr ein Berufstipp als eine journalistische Strategie.
Strategie 4: Die Viral-Experten
„Upworthy.com“ nutzt den bekannten Effekt einer Emotionalisierung durch Bilder und herrscht in großen Buchstaben seine Nutzer an: „like, follow, and subscribe“. Kann man machen. Oder lassen.
Strategie 5: Die Aggregatoren
Aggregatoren wie Reddit nutzen Menschen als Algorithmen, was immerhin ein feiner Zug ist. User bewerten, „ranken“, eine Unmenge interessanter Links. So entsteht „Relevanz“. Nur, was ist das? Entsteht durch die Weisheit der Vielen Bedeutung oder gar Sinn?
Strategie 6: Der Stiftungs-Journalismus
Finanzierungsmodelle wie Stiftungen werden vielleicht einmal in Deutschland die volkseigenen Betriebe namens öffentlich-rechtlicher Rundfunk ergänzen.
Strategie 7: One Man and his blog
Begabte Publizisten wie Andrew Sullivan /The Dish sind vielleicht doch nicht ganz so allein unterwegs. Er braucht vor allem ein zahlungskräftiges und zahlungswilliges Publikum. Dass er über beides verfügt, macht ihn eher zur Ausnahmeerscheinung im Web. Talent ist eine tolle Gabe, möglicherweise aber keine Strategie.
Die Grenzen des Journalismus werden tatsächlich, in vielerlei Hinsicht, schon seit Jahrhunderten immer wieder neu verhandelt. Darin liegt wohl ein Grund, dass immer noch so viele Menschen „irgendwas mit Medien“ machen wollen.
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