Scoop und Skrupel – #Panamapapers

Investigative Story Telling (Quelle: Wikimedia)

Investigative Story Telling (Quelle: Wikimedia)

Zu den #PanamaPapers ist fast alles schon gebloggt – aber noch nicht von jedem. Meinerseits nun etwas Medien-Meta. Denn parallel zum Erstaunen über die Briefkastenfirmen-Fabrik Mossack Fonseca wird auch über die Rolle der Enthüller gestritten. Aufschlussreich und sehr grundsätzlich.

Darin sehe ich immer wieder ein untrügliches Zeichen dieser digital vernetzten Ära: Jedes wichtige gesellschaftliche Thema diskutieren wir inzwischen in einer kaum entwirrbaren Vermischung von Einzel- und Systemkritik. Schnell geht es ums große Ganze. In Echtzeit, d.h. in der Regel: ohne Zeit für Differenzierung.

Dafür umso mehr für Polarisierung.

Was die Panama-Papers betrifft, so bemisst sich die Fieberkurve der Diskussion auf einer Skala zwischen manipulativem Marketing (Minuspol) und epochaler Enthüllung (Pluspol). Da  verorte ich mich in der Nähe der Mitte. Heutzutage ein recht einsamer Ort. Denn der Medien-Meta-Diskurs lässt eigentlich nur 100 oder Null zu.

Schreiten wir die Spaltlinien ab, die die Diskussion um die Bedeutung des Leaks für Gesellschaft und Kommunikation gezogen hat:

Alte Schule versus junge Garde.

Nach der ersten Verblüffung über Volumen und Namen der Enthüllung, regte sich professionelles Misstrauen gegen das extrem laute Geklapper, das selbst zum investigativen Handwerk gehört. Gute PR sei das schon, aber dadurch doch eher  eine Übertreibung. Wo früher mehr journalistische Substanz gewesen sei, ginge es jetzt mehr um Marketing und Organisation. Ja früher …

Betrachtet man die TV-Begleit-Dokumentation im Ersten und das anschließende ZAPP-Medien-Making-Of, erleben wir tatsächlich eine stylische Inszenierung rund um den Whistleblower „John Doe“ und seinen Kontakt zu den zwei nerdigen Journalisten Obermayer und Obermaier von der Süddeutschen. Internationale Agenten-Ästhetik, angemessen präsentiert von einer wirklich coolen Sau, Christoph Lütgert. Der zumindest ist Old School.

Etalierte Medien versus Alternative Öffentlichkeit

Klar, der publizistische Wettbewerb wird immer härter und globaler: Mittlerweile hat sich eine Art Champions League der Investigativ-Marken herausgebildet: Die Süddeutsche, WDR und NDR sind bei jedem Fall für Deutschland dabei – und der Spiegel hofft, nicht abzusteigen. Es profilieren sich etablierte Medien, allerdings mit innovativen Einheiten und Kooperationen. Darin sehen die manche einen wirkungsvollen Konter gegen die Lügenpresse-Vorwürfe.

Aber da lauert schon digitale Kränkung. Sie hat offensichtlich die Enthüllungsplattform Wikileaks besonders getroffen.

Möchte sie doch DIE Enthüllungsplattform bleiben / werden. Denn spendenfördernde Reputation hängt unter anderem am Image der alternativen Öffentlichkeit. An der Entmachtung der traditionalen Gatekeeper, an der Emanzipation der Netzgemeinde mit ihren eigenen Agenten.

Übliche gegen Verdächtige

Ein anderer Blickwinkel bipolarer Medienweltsicht setzt diesen Gedanken fort: Gehören denn  etablierte (weiße, westliche – bitte selbsttätig Reihe fortsetzen) Alt-Medienmarken nicht sowieso zu „denen da oben“, zu den herrschenden Eliten? Schließlich zwingt ja gerade so ein Mega-Datensatz zur Auswahl von Namen und Themen. Natürlich immer lupenrein auf Putin, der noch nicht einmal namentlich in den Dokumenten erwähnt wird! Oder auf Mini-Ministerpräsidenten.

Manche kritische Fragen stellen sich, was auch unaufgeregt geht – nach der Quelle, der Aussagekraft von Indizien beispielsweise. Einiges wirkt allerdings wie Korinthen-Lese oder Derailing auf der Propaganda-Schiene.

Recht trennscharf fällt sie jedenfalls aus, die Einschätzung der Bedeutung der Panama Papers: Rechnet man die Größe eines journalistischen Scoops nunmehr in Terabyte oder in Konsequenzen? Quantität versus Qualität?

Der (Schein-) Gegensatz beginnt sich jedoch bereits aufzulösen: Erste politische Konsequenzen gab es bereits. Der Datensatz ist objektiv ebenso riesig wie ergiebig. Barack Obama hält den Scoop für bedeutend,und Victoria von den Krautreportern auch. Mir reicht das erst mal aus.

Keiner kennt das ganze Bild. Die Skepsis am Scoop müssen und können die aktuellen Enthüller aber aushalten. Schließlich sitzen sie ja tatsächlich verdächtig nahe an der Quelle öffentlicher Aufmerksamkeit. Misstrauen ist der Preis des Prestiges.

Cui bono? Pro und contra, würde ich sagen. Wie immer.

 

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