Meinungsstreit: Reflexe und Reflexionen

Schlag und fertig!

Schlag und fertig!

Sonderlich effizient war das nicht: Erst lange an einem Kommentar herum überlegen, zu einem Post im „Pofalla-Gate“. Und ihn am Ende dann doch nicht schreiben. Nun ja, ich bin aufgehalten worden. „Von unerfreulichen Reflexen“ war in dem Text auf einmal die Rede. Das hat mich gelähmt. Nach reiflicher Überlegung will ich nun mit einer Reflexion über Reflexe reagieren.

Zur Posse um den Postillion ist vermutlich alles gesagt und getwittert worden. Die Online-Satiriker hatten mit ihrer rückdatierten „Exklusivmeldung“ zum neuen Job des alten Kanzleramtsministers viele gefoppt. Beim anschließenden Scherbengericht konnte sich jeder dann recht geben:  Die Netzgemeinde ist doof. Oder: Journalisten sind doof. Und: Wer war noch mal Pofalla?

Derartige medienkritischen Diskussionen laufen genauso schnell heiß wie sie wieder abkühlen.

So lief das auch in der Auseinandersetzung zwischen dem netzpositivistischen Blogger Thomas Knüwer und dem traditionspublizistischen Nachrichtenchef Michael Klein von der Lahn-Dill/Wetzlarer Neuen Zeitung. Zu der ich eigentlich einen Kommentar hatte schreiben wollen. Dabei war es dem Ersteren ursprünglich nur darum gegangen, einen alten unproduktiven Konflikt zu thematisieren: Den Graben zwischen „gutem“ klassischen Journalismus und „dummer“ Netzpublizistik.

Knüwer: „Denn es scheint, viele Journalisten entwickeln unerfreuliche Reflexe: Wann immer auch nur der Hauch von Kritik an journalistischer Arbeit – sei sie auch noch so hinterfragenswert – auftaucht, handelt es sich aus ihrer Sicht um eine hinterhältige Attacke einer hirnlosen und nicht weiter zu definierenden Netzgemeinde.“

Tatsächlich, zwei grundsätzliche Argumentationsreflexe prägen die Diskussion um Medienwandel:

  1. Das Internet ist an allem Schuld.
  2. Das Internet ist die Unschuld an sich.

„Allesindensackunddraufhauen“ nennt der Blogger Knüwer anklagend die häufige Klage über medieninkompetente Netzbewohner. Sicher hätten viele von Ihnen einem Satiremagazin mehr geglaubt als „seriösen“ Quellen. Nur müssen letztere sich fragen , warum sie offenbar an Vertrauen verlieren. Dafür ließen sich durchaus Gründe im Agieren der „alten Medien“ finden, schwammige Quellenangaben („gut unterrichtete Kreise“) zum Beispiel.  

Dann allerdings folgt der Kritik Knüwers an Pauschalierungen die pauschalierende Kritk an „dem“ Journalismus klassischer Auffassung:

„Journalismus muss zu einem offenen Prozess werden – stattdessen will er sich von Außeneinflüssen abschotten und immer weniger Rechenschaft ablegen. Wundert es da noch jemand, wenn Satireseiten mehr Glaubwürdigkeit besitzen?“

Tun sie das wirklich? Gegenreflex könnte man so eine Argumentation nennen. Die größten Kritiker der Elche werden gleich selber welche. Warum nur bleibt die Debatte um den digitalen Medienwandel immer wieder hängen? Meine These: Wir erleben eine reflexhafte Diskussionskultur. Gefordert wird ein ständiges, blitzschnelles Einschlagens auf den jeweiligen Gegner. So ein Tempo lässt sich nur mit vorgefertigten Argumenten durchhalten. Den Sieg bringt das KO-Argument.

Wobei allerdings das eigentliche Thema als erstes auf die Bretter geht. Das Rollenverhältnis von professionellem Journalismus und allen anderen Kommunikatoren in der Medienwelt ist ja wahrlich ein ebenso bedeutendes wie spannend es Thema. Über die Begriffe „Vertrauen“ und „Kontrolle“ in dieser Debatte ließen sich Festplatten vollschreiben. Aber das würde dauern, das wäre kompliziert.

Reflexe haben dagegen verführerische Eigenschaften im Meinungsstreit. Dort wirken sie hocheffizient, weil sie einem beim Reagieren unter Zeitdruck das Nachdenken ersparen – sowohl über die eigene Position als auch über die des anderen. Denn es geht in diesem Ringen um Deutungshoheit letztlich um die Verteilung von Machtpositionen in der Digitalen Medienwelt. Diskussionen sind da stets auch offen geführtes Reputationsmanagement. Die Akteure kämpfen für ihre Gattung und um ihre Geltung. Das geht mit Einerseits-Andererseits-Positionen natürlich nicht so gut.

Wie steht es um eine Alternative? Bitte sehr: Reflexion. Die ist natürlich wesentlich weniger spektakulär. Aber es haben sich so viele Philosophen haben sich mit diesem Denkwerkzeug auseinandergesetzt. Da muss etwas dran sein. Mir gefallen daran drei Momente: Erkennen, Nachdenken und der „Blinde Fleck“. Führen wir also Debatten, die sich dem anderen zuwenden, ihn (an-) erkennen. Denken wir über Argumente nach und akzeptieren wir die Grenzen dieser Anstrengung. Unsere eigenen blinden Flecken eben.

Anders ausgedrückt: Hören wir doch mit dieser verdammten Rechthaberei auf!

Sie mag unseren jeweiligen (Selbstvermarktungs-) Strategien dienen. Aber sie führt in der Sache nicht weiter. Fragen wie „Sind Blogger unseriös?“ oder „Sind Journalisten überflüssig“ verstellen den Blick auf die Zukunftsfragen der Medien. Weil sie schlicht nicht zu beantworten sind.  

Beim Versuch, die zitierten Blog-Posts zu kommentieren, bin ich reflexhaft zurückgezuckt. Weil ich sinnlose Diskussionen nicht verlängern möchte. Und weil mir scheint, dass im Alter sowieso die Reflexe schwächer werden. Sind denn außer Robert di Niro und Sylvester Stallone Senioren überhaupt noch im Ring gefragt? Man sollte sich auch die geistigen Kräfte einteilen.

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