Medienjahr 2013: Bewußtsein erweitert

Ab geht der Post zum Jahreswechsel

Ab geht der Post zum Jahreswechsel

Keine Sorge, keine Liste! Jetzt folgen weder „11 Schlagworte, die unbedingt auch von mir wiederholt werden müssen“ noch „5 Gründe für das Ende der Zukunft des Journalismus“.  Nein, ich will nun begründen, warum ich das alternde Jahr 2013 – und ich hoffe, nicht nur ich – gut fand: Weil es nämlich ganz erheblich mein – und ich hoffe, nicht nur mein – Bewußtsein erweitert hat.

Edward Snowden als König der Enthüller

Natürlich hat das ganz wesentlich mit Edward dem Ersten, dem Krypto-King, zu tun. Der helle Lord Snowden hat uns „bösgläubig“ gemacht, wie Juristen das vielleicht nennen würden. Und das war gut so. Hinter die Erkenntnis jener gigantischen Missbrauchsmöglichkeiten durch die Ver-Datung des Menschen kommen wir nicht mehr so einfach zurück. Staatliche Macht muss sich neu rechtfertigen. Vor allem aber haben wir eines erkannt: Das magische Mysterium Internet mit all seinen kostengünstigen Vorteilen hat doch seinen Preis – Allsichtbarkeit.

Natürlich können wir Normalos weiterhin versuchen, uns die Hand vor Augen zu halten und denken: „Mich sehen sie nicht. Und wenn, ist es auch egal.“ Oder wir nehmen uns vor, als Cyber-Amish-People vor dem Digital-Teufel ins ewige Offline flüchten. Alternativ gäbe es auch den Besuch von Verschlüsselungs-Partys mit Käsekräckern und Krypto-Keys. Wie auch immer – jetzt entscheiden wir jedenfalls im Lichte trüber Erkenntnisse über die Doppelnatur des Digitalen.

Bauman und Morozov: Freiheitliche Radikale

So sieht Freiheit nun mal aus – Erkennen, Entscheiden und Verantwortung für die Folgen übernehmen. Auch an theoretische Grundlagen dafür mangelt es im Jahr 2013 nicht. Zygmunt Bauman hat sie mit der Autorität eines hochbetagten und angesehenen Wissenschaftlers beschrieben, Evgeny Morozov mit dem polemischen Talent eines eitlen Nachwuchs-Intellektuellen: die Risiken des digitalten Gesellschafts- und Medienwandels.  

Beide Autoren lese ich nicht als Kämpfer gegen das Internet, sondern als Werbende für ein menschliches Maß im Umgang mit den unfassbaren Möglichkeiten des Digitalen. Es reicht weder dem einen noch dem anderen aus, dass wir uns nur staunend den neuesten Tools zuwenden. Zudem teilen sie die disruptive Freude am Zerstören althergebrachter Ideen und Institutionen nicht. Denn auch die „Liquid Modernity“ braucht ein paar feste, verlässliche Orientierungspunkte. Selbst beim Internet dürfen, ja müssen wir uns fragen, ob jeder Fortschritt ein Gewinn ist.

Nerd-Attack: Traditionelle Medienordnung löst sich weiter auf

Inne halten heißt gerade in der Medienbranche gegen den Trend zu handeln. Den bestimmen Menschen wie Neu-Nerd und Bild-Chef Kai Diekmann. Nachdem der sich schon mal als Silicon-Valley-Praktikant inszeniert hatte, gab sein Axel-Springer-Verlag dieses Jahr eine General-Linie der Verlags-Branche aus: Mehr Nerd und weniger Print. Zukunft ist vor allem (digitale) Technologie. Inhalt tritt bescheiden zurück hinter die Form des multimedialen Content-Verteilens. Falsche Bescheidenheit.

Verlage und Rundfunkanstalten haben längst damit begonnen, ihre traditionellen Strukturen aufzulösen. In der digitalen Entwicklung sehen die Manager aber wohl weniger eine inhaltliche Chance als vielmehr eine öknomomische Herausforderung. Es geht ihnen in erster Linie ums Milliarden-Geschäft. Um neue Ertragsmodelle für die Privaten und um die Legitimation der Rundfunkbeiträge bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten. Deren Milliarden wecken zunehmend Begehrlichkeiten bei denen, die um den Qualitätsjournalismus fürchten. Was auch immer man jeweils darunter verstehen mag.

Hellsichtige und Schwarzseher

War dies denn nun das Erfolgsjahr der Schwarzseher fürs Mediengewerbe? Nein. Ganz im Gegenteil, jede weitere Debatte über Zeitungssterben und Niedergang des Journalismus schien die Betroffenen zu beleben. Todes-Diagnosen können durchaus Selbstheilungskräfte mobilisieren. Noch ist die Debatte unübersichtlich. Aber das Ende der allgemeinen Öffentlichkeit sähe sicher anders aus.

Bis an das Jahresende reichen die Debatten heran. Ob sie von den lichten Höhen der ZEIT ausgehen oder bottom up als Blog-Paraden. Ein ganzer Berufsstand stellt sich auf den Prüfstand. Das tut weh und gut. Und es führt zu vielfältigen Erkenntnissen. Und zur Wiederentdeckung uralter Themen. Zum Beispiel: Wann ist ein Journalist, eine Journalistin unabhängig? Eine verblüffend wichtige Frage, in Zeiten hysterischer Jagden nach Geschäftsmodellen und Selbstvermarktungs-Strategien.

2014: Selbstbewußt auf ins Neuland!

 „Neuland“, dieses  mittlerweile geflügelte Wort unserer alten/neuen Kanzlerin, kam viel zu schlecht weg in der Rezeption der Netzgemeinde. Frau Merkel, die auch in dieser Frage wieder von vielen unterschätzt wird, hat weniger Unkenntnis oder gar Verachtung fürs Digitale zum Ausdruck gebracht. Nein, sie beginnt den gesellschaftlichen Mainstream in die künftig entscheidende Denk-Richtung zu lenken.  

Auch wenn es vielen noch zu langsam geht, für einen (selbst-) bewussten Umgang mit den Zukunftsthemen ist Ruhe kein schlechter Modus. Der Tanker der Aufmerksamkeit für den digitalen Wandel beginnt sich jedenfalls zu drehen. Meine Hoffnung für 2014 ist nun, dass es keine Kreisbewegung wird und dass es nicht nur um Fortschritt, sondern auch um dessen Ziele gehen möge.

Prosit!

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