Drunter und Drüber geht´s in der medialen Arbeitswelt, gerade im Verhältnis der Generationen: Auszubildende schulen oft eher ihre Lehrherren (und -damen), ja sie entwickeln dabei sogar den Beruf weiter, ob nun inhaltlich, technisch oder geschäftlich. Übungsfirmen gehen mittlerweile gleich öffentlich ans Netz. Wie gut ist das denn?
Diese Woche berichtet der Branchen-Dienst Meedia von einem „Millenials-Channel“, den Bild.de am 1. September unter dem Titel Byou starten soll. So weit, so hip. Bemerkenswert ist allerdings, wie das neue Angebot angeblich hergestellt werden soll:
Redaktionell betreut wird der Channel von den Journalistenschülern der Axel Springer Akademie. Dafür hat Springer die Ausbildungszeit bei Welt Kompakt verkürzt.
Dann geht also eine Lehrredaktion gleich mal in den Regelbetrieb. Schon wieder verwischt der Medienwandel Grenzen, die wir Alten für nahezu unüberwindbar gehalten hatten. Wo der journalistische Nachwuchs früher für Verwandte, Freunde und Förderer hübsche Abschlussarbeiten fabrizierte, geht er heutzutage mindestens online.
Im Journalismus könnte das alte Klischee vom Erfahrungs- und Begabungsberuf nunmehr von einer Art Jugendkult abgelöst worden sein. Die Tendenz ist jedenfalls seit Jahren unübersehbar.
So gründete Radio Bremen 2010 ein Entwicklungslabor namens „Digitale Garage“. Diese Redaktion bestand aus einem Jahrgang frisch freigesprochener Lehrlinge des Hauses, Ex-Volontäre/innen. Mit der Lizenz zum Spinnen, aber eben auch zum Senden.
2012 lud die Süddeutsche Zeitung einen Jahrgang der Henri-Nannen-Journalistenschule ein, vom Parteitag der Piraten zu berichten. Die jungen Leute feuerten vor allem sozialmedial aus allen Rohren.
Münchner Journalistenschüler/innen der DJS wiederum berichten seit 2013 alljährlich von der re:publica, indem sie „das schnelleste Buch der Welt“ herstellen, eine Zusammenfassung der vielen Diskussionen des Blogger-Treffens..
Die FAZ wiederum schickte dieses Jahr Kölner Journalistenschüler auf die Cebit nach Hannover. Dort sollten sie jungen Startups den Puls der Zeit fühlen.
Derartige Aktionen lassen sich natürlich auch für die vielen Hochschul-Ausbildungsgänge identifizieren, die jeweils etwas mit Medien machen. Hier ragt die agile Hamburg Media School insofern heraus, als sie ihre Dienste nicht nur publizistisch weiter vermarktet. Sie betreibt genauso offensiv die Entwicklung von technischer Kompetenz und von Geschäftsmodellen.
Wenn gerade mal mal keine Auszubildenden zur Hand sind, gilt dennoch: Soll es professionell-expermimentell zugehen, werden die jungen Redaktionswilden losgeschickt, um beispielsweise irgendwo mit dem Periscope aufzutauchen, einer Livestream-Übertragungs-App.
So macht es zum Beispiel Springers Welt. Dabei entwickelt sich ein ganz eigenes Vorgehen. Wortwörtlich: Eine junge Reporterin geht mit ihrem Smartphone am Zaun der Flüchtlingsunterkunft von Heidenau entlang, dreht, kommentiert und beantwortet ständig neue Nutzer-Fragen.
Beim Zusehen wurde mir ganz anders – anders als ich es als TV-Journalist gelernt hatte. Die Periscope-Übertragung der Welt-Reporterin folgte erkennbar dem Muster „Drehen, Senden, Recherchieren.“ Ist das wirklich die richtige Reihenfolge?
Verschwommen jedenfalls ist die Grenze zwischen Lernenden und Lehrenden. Die jeweilige Rolle ist heute keine Frage des Alters mehr, sondern des Themas. Oder wie Jutta Rump und Silke Eilers (2013) in ihrem Buch „Die jüngere Generation in einer alternden Arbeitswelt. Baby Boomer versus Generation Y“ darlegen:
Gerade im Bereich der Computer vermittelten Kommunikation vergrößert sich der Wissensabstand zwischen den Generationen, so daß Ältere in diesem Kontext gerade am Arbeitsplatz nicht selten stärker gezwungen sind, von Jüngeren zu lernen als dies in der Vergangenheit der Fall war, als traditionell eher das Wissen der Alten an die Jüngeren weitergegeben wurde.“
Der digitale Wandel hat eine scharfe Bruchkante erzeugt, zwischen standardisierten Routine- Jobs auf der einen sowie flexiblen Kreativ-Tätigkeiten auf der anderen Seite. Ist im einen Fall langjährige Erfahrung noch richtig etwas wert, so führen im anderen die offenen Prozesse der Wissensgesellschaft weg vom Pfad der alten Lehre. Hin zur (Medien-) Kompetenz der Jungen.
Der andere – und ein wenig trübe – Komplex: Beim Übergang von den alten zu den neuen Medien fehlt es nicht nur an junger Spannkraft und medialer Kompetenz, es mangelt außerdem schlicht am Geld, am Wagniskapital. Deshalb kommt der Nachwuchs gerade recht: Lehrjahre sind schließlich auch finanziell keine Herrenjahre.
Wem gehört die Zukunft tatsächlich, inhaltlich und finanziell? Fest steht: Zwischen den Generationen müssen jetzt Kompetenzen und Besitzstände neu verhandelt werden, wenn die Entwicklung nachhaltig sein soll. Auf Dauer wären alternde Berufsjugendliche ebenso wenig eine Lösung wie ewige Übungsfirmen.
Gegen Ende sei es zugegeben – der gerade beschriebene Befund ist weder dem Datum noch dem Prinzip nach völlig neu. Aber wenn wir den Umfang und die Geschwinidgkeit des Wandels betrachten, dann erschließt sich wiederum doch eine neue Qualität. Ab und an müssen wir uns derlei Entwicklungen bewußt machen, den Blick weiten und schärfen.
Die Bloggerin „Frau Meike“ drückt das Prinzip in einem – übrigens sehr lesenswerten – melancholischen Post so aus:
Jede Generation unterscheidet sich kaum von der vorhergehenden, man kann die minimalen Abweichungen leicht mit der normalen Variation eines Merkmals oder Verhaltens verwechseln und so niemals auf die Idee kommen, dass man sich gerade mitten in einer artumwälzenden Revolution befindet. Erst wenn man die Enden der Skala betrachtet, die erste und die letzte Generation, wird das ganze Ausmaß der evolutiven Anpassung deutlich.
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