Mediales, maschinelles, menschliches Versagen

Eindeutig: Traurige Gewissheit schwarz auf grau.

Eindeutig: Traurige Gewissheit schwarz auf grau.

Zugegeben – vielleicht war es ein Fehler, einen journalistisch gelegentlich hilflosen ARD-Brennpunkt zu gucken. Oder per second screen die Gegenreaktionen aus der wutbrockigen Twitter Branchen-Blase zu verfolgen. Aber ich konnte, wollte nicht anders auf den Absturz der Germanwings-Maschine reagieren als Milionen andere: mit Katastrophen-Konsum. Nach diesem Schuldeingeständnis nun meine Reflexion über mediales, maschinelles und menschliches Versagen.

Wohin mit der eigenen, mittelbaren Bestürzung über so ein Unglück? Wie geht Empathie ohne Voyeurismus, wie lassen sich Mitleid für Betroffene und mulmiges Gefühl als häufiger Fluggast verbinden? Für Antworten suchte ich so viel „Informationen“ und Positionen wie möglich, so seriös wie machbar.

Öffentlichkeit für den Umgang mit diesem Schock herstellen, daran arbeiten sich seit gestern unzählige Journalisten/-innen ab. Ich kenne derlei Situationen gut genug, um mir beim häufigen Scheitern solcher Anstrengungen die Häme zu verkneifen. Und ich versuche, die notorischen medialen Gefühlsausbeuter zu boykottieren. Das einzige, was dagegen hilft.

Ausnahmesituationen mobilisieren eben alle möglichen und unmöglichen medialen Kräfte. Manchmal lähmen Schocks auch. Das führt dann zu wortreicher Sprachlosigkeit, wie wir sie nun vielfach erleben, öffentlich-rechtlich wie privat.

Wir müssen reden!

Aber neben den Toten auch noch das Opfer des „verhältnismäßigen Journalismus“ zu beklagen, erscheint wiederum mir eher taktlos. Bei allem Respekt vor der heiklen Wachhund-Funktion der Medienkritik halte ich TV-Rezensionen wie „Wir Voyeure“ ,so gesehen, eher für einen Voyeurismus zweiter Ordnung. Oder Heuchelei erster Güte.

Denn manchmal kommen Katastrophen-Berichterstatter beim Grenzgang eben ins Straucheln. Und natürlich gibt es auch widerliche Grenzüberschreitungen. Andererseits bleibt das Bedürfnis, ja der öffentliche Auftrag, etwas zu berichten, zu bereden und zu bewältigen.

Die jetzt von SZ und FAZ online als voyeuristisch gekennzeichnete Sendung „Menschen bei Maischberger“ habe ich ganz anders wahrgenommen. Als achtbare journalistische Trauerarbeit unter Aktualitätsdruck und als, ja, zulässigen Umgang mit all den Spekulationen, die an einem solchen Tag so gut wie alle Menschen bewegen. Unabhängig vom Spekulations-Verbot, das die Bundeskanzlerin verständlicherweise für alle offiziellen Äußerungen erlassen hatte.

Aus dieser Sendung habe ich einen Gedanken mitgenommen für den – wie ich wiederum zugeben muss – mein Denken ganz unabhängig von so einem furchtbaren Ereignis empfänglich war. Es geht um die „Schnittstelle Mensch-Maschine“. Damit also um nichts geringeres als um die Entwicklung unserer durchdigitalisierten Welt, die von genau dieser Beziehung geprägt wird.

Mensch Maschine!

Knüpfen wir an die floskelhaften Grundkategorien an, in denen Ursachen solcher Unglücke beschrieben werden: „menschliches Versagen“ oder „technisches Versagen“. Wenn ich die Schilderungen über die Ursachen von Flugzeugabstürzen oder Beinahe-Katastrophen derzeit verfolge, denn kommen mir immer mehr Zweifel am Sinn dieser Trennung. Ganz allgemein.

Müssen wir häufiger mit einem gemeinschaftlichen Versagen der Mensch-Maschine leben? Kommunizieren beide Seiten an ihrer Schnittstelle gut genug? Die Gäste bei Sandra Maischberger beschreiben sehr anschaulich Vorfälle der Vergangenheit, bei denen unter bestimmten Umständen Computer und Pilot gegeneinander gearbeitet hatten, einander nicht verstehen konnten. Manchmal mit katastrophalen Folgen.

In derlei Situationen entsteht wohl ein richtiger Kampf um die rettende Maßnahme zwischen Mensch und Maschine. Bei dem beide Seiten irren können. dazu reicht ein vereistes Messgerät oder eine simple Fehleinschätzung. In gewisser Weise ringen hier die wahrgenommene Wirklichkeit der Menschen und die virtuelle Realität der Maschinen um Deutungshoheit. Das Ergebnis, wie auch immer, ist erschütternd gegenwärtig.

Keine Panik!

Diesen Gedanken weiterverfolgen, heißt weder, in Technikpanik verfallen noch in Fortschrittsgläubigkeit zu verharren. Sondern eine Unschärfe der Gegenwart aushalten lernen, die nicht so leicht zu beseitigen ist. Auch modernstes Leben enthält ein Restrisiko. Genauer: Unsere Ambitionen erschaffen, neben den faszinierenden Lösungen, auch immer komplexere Risiken.

Sicher: Während ich dies schreibe, bleibt die Ursache des Unglücks von Germanwings-Flug 4U9525 ungeklärt. Mit dem gerade aufgeworfenen Überlegungen hat sie möglicherweise überhaupt nichts zu tun. Meine Gedanken sind eine subjektive Refexion und ein Reflex auf eine ungeheuerliche Nachricht.

Eindeutig bleiben derzeit nur der Schmerz und die Trauer der Betroffenen. Möge sich ihnen gegenüber das unzweifelhaft vorkommenden „mediale Versagen“ in Grenzen halten!

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