Lesen Sie Reski!

So sieht es aus in Italien (Quelle: Verlag)

So sieht es aus in Italien (Quelle: Verlag)

Kriminalromane bieten eine doppelte Chance: Journalistische Geschichten unerschrocken zuspitzen und gleichzeitig die Geschichte des Journalismus ungeschminkt beschreiben. Wenn dabei auch noch Mafia und Medien kombiniert werden, dann wird es spannend: Das gefiel mir an „Palermo Connection“ von Petra Reski (Deutschland/Venedig).

Vermutlich trage ich  an eine Art Wittgenstein’scher Brille auf der Nase. Eine fixe Idee: Was immer ich wahrnehme, filtere ich mit genau den Kategorien, die mich in diesem Blog umtreiben: Gesellschaftlicher Auftrag des Journalismus, Folgen des Medienwandels und Weltbühne Venedig. Wenn ich zur Entspannung Spannungsliteratur lese, begegnen mir diese Themen überall wieder.

Allerdings gehört Journalismus schon von jeher zur Grundausstattung vieler Filme und Bücher. So kennen wir die klischeehafte, dämonisierende und stilisierende Darstellung von Medien zur Genüge – Pressemeute, versoffener Reporter, TV-Schnallen. Natürlich auch die unerschrockenen Enthüllungsjournalisten. All dies sind etablierte Bewohner der Traumwelten des Eskapismus.

Allein gegen die Mafia

Aber gute, aktuelle Krimis verhelfen gar nicht mehr zur Flucht aus der, sondern vielmehr in die  Wirklichkeit. Spannende Fiction kann  der Ausweg sein, um Realität erst darzustellen. Zum Beispiel für engagierte Journalisten. Sagen was ist, ohne Gegendarstellungen zu riskieren. Außerdem lesen wir in solchen Romanen manchmal, wie es vorangeht in der Branche. Beziehungsweise abwärts.

Womit wir bei Journalistin und Buchautorin Petra Reski angekommen sind. Sie lebt und bloggt in Venedig. Und kennt sich besonders gut mit der Mafia aus, der italienischen wie der deutschen. „Furios“ beschreibt vielleicht ganz gut ihrer Arbeitshaltung. Die Autorin versteht es fesselnd zu schreiben, ist aber auch selbst außerordentlich engagiert. Ihr Zorn richtet sich gegen Gleichgültigkeit, mit der beispielsweise das Thema Organisierte Kriminalität in Deutschland behandelt wird.

Wenn nicht Verzweiflung, so ist Petra Reski doch mindestens Zweifel an den gesellschaftlichen Institutionen und Protagonisten ab zu spüren, ob es nun um Politik oder Medien geht. Was ja nun auch zusammenhängt. Gerade in diesen Zeiten sind ihre Blogposts eine spannende Lektüre. Schon allein Reskis informiert- abgeklärte Sicht auf smarte Hoffnungsträger wie Matteo Renzi (vielleicht auch: Tsipras?).

Realität in der Fiktion

Komplizierte Beziehungen, geradezu Verstrickungen beschreibt Reski auch in ihrem Roman „Palermo Connection“ (2014, Hoffmann und Campe). Im Zentrum steht eine Ur-Sünde der italienischen Gesellschaft, nämlich Geheimverhandlungen zwischen Mafia und Politik in den 90er Jahren, die „trattativa“. Bis heute steht die Frage im Raum, ob in die Morde an den Anti-Mafia-Kämpfern Borsellino und Falcone auch Spitzen des Staates verstrickt sein könnten.

Ganz konkret geht es beispielsweise um den greisen Staatspräsidenten Napolitano. Ein (zufällig) abgehörtes Telefonat des Politikers gehört zu den heißesten innenpolitischen Themen unseres geliebten Nachbarlandes. Es spielt eine entscheidende Rolle bei der Aufklärung von eigentlich „unaussprechlichen“ Vorgängen. Ver-öffentlichen oder nicht?

Im Roman von Reski werden solche Tatsachenbezüge nicht kaschiert (außer bei den Namen), sondern zelebriert. Die Autorin geht bemerkenswert direkt auf die zwölf. Für Rezensenten sei kaum herauszufinden, was genau Realität und was Fiktion ist, stellt die taz fest. Im Gespräch mit der ZEIT macht die Autorin eine klare Ansage:

Das deutsche Presserecht ist sehr mafiafreundlich.

Dieser Trick, zu schreiben, was geschrieben gehört, ohne eine Gegendarstellung zu riskieren, das ist der eine Punkt, den ich bemerkenswert finde. Für investigativ orientierte Journalisten ein extrem eleganter Weg. Vorausgesetzt, man versteht es, das Genre zu bedienen, wird gedruckt und gelesen.

Wirklichkeit in den Medien

Was mich zudem an „Palermo Connection“ gefesselt hat: Die Karikatur der Medien nimmt darin einen genauso großen Raum ein wie die Kritik an der Politik. Insbesondere die Hamburger Zeitschriften-Szene mit ihren Reporter/Fotografen-Teams. Tee trinkende Technokraten sind die Kings in den Houses of Content.

Einstige Edelfedern und Scheckbuch-Journalisten finden sich auf einmal in der digitalen Todeszone wieder, mitten im Zeitungs-/Zeitschriften-Sterben. Zum Beispiel die Roman-Figur Wolfgang W. Wienkeke:

Die Auflage von FAKT befand sich im freien Fall. Nie hätte er das für möglich gehalten. Vor zwanzig Jahren hatte er lustige Artikel über das Internet geschrieben, darüber, dass Chatrunden die modernste Form des Amateurfunkens seien und der wahre Grund für die Entstehung des Internets darin bestehe, dass die wenigsten Männer den Mut hätten, in den nächsten Videoshop zu gehen und mit fester Stimme für sieben Mark einen Pornofilm auszuleihen. Und jetzt war das Internet kurz davor, ihn aufzufressen.

Er war siebenundfünfzig und hatte nie daran gedacht, dass Journalisten irgendwann aussterben könnten wie Scherenschleifer oder Bergleute oder Korbmacher.

(Palermo Connection, Hoffman und Camppe 2014)

Alte Systeme und ihre Protagonisten sind längst an ihrer moralischen Grenze angekommen. Die Gewalten eins bis vier der Demokratie versagen. Gibt es einen Lichtblick? Ja, eine unerschrockene Staatsanwältin übernimmt nach eigenen Regeln die vakante Aufklärer-Rolle, soweit man sie lässt. Denn es gibt wenig Unterstützung. Enthüllungen sind allen eher peinlich.

Hilfe erhält Serena Vitale höchstens noch von einem Muskel-Nerd. Und publizistischen Respekt verdient nur eine blutjunge Bloggerin, die sich mit geposteter Wahrheit über die Mafia ihre sizilianische Existenz versaut. Que triste…

Aber ich denke, der Kampf wird weitergehen. Aufgeben scheint weder Serena Vitales Eigenschaft noch die von Petra Reski zu sein. Wenn Sie, liebe Zielgruppe, also die in meinem Blog knochentrocken verhandelten Themen des globalen und lokalen (Medien-) Wandels saftiger mögen. Dann: Lesen Sie Reski!

Kommentare

  1. Vielen Dank für die schöne Besprechung, you made my day!

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  1. […] Lesen Sie Reski! 26. Januar 2015 von Dirk Hansen […]

  2. […] auf manche Meta-Debatte in der Branchen-Blase. Diesen Erkenntnisgewinn hatte ich bereits hier einmal […]

  3. […] Blog habe ich das Prinzip der Verflüchtigung von Medienarbeit und -kritik ins Fiktionale da und dort beschrieben. Deshalb will ich mich jetzt auf das publizistische Selbstverständnis der drei […]

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