Lanz und Snowden: Scheinheilige Kriege

Es hätte so schön sein können (Quelle: ARD / DWDL)

Es hätte so schön sein können (Quelle: ARD / DWDL)

„Entregt Euch“ – diese Empfehlung des Medienkritikers Hans Hoff zum Lanz-gate gehört zum Klügsten, was ich in den letzten Monaten gelesen habe. Aber seinen Rat diesseits und jenseits der Cyber-Gartenzäune zu beachten, fällt offensichtlich schwer. Sooo schwer.  Stattdessen toben um uns herum scheinheilige Kriege um Symbole. Da wird  ein Lanz verteufelt und ein Snowden-Interview zur Glaubensfrage.

Heute regt sich Medienkritiker Stefan Niggemeier nochmal kräftig darüber auf, dass einige Journalisten die Online-Petition gegen Markus Lanz nicht ergriffen genug behandelt haben. Sein Hauptargument: Die Herrschaften Meinungsmonopolisten in den gehobenen Redaktionsstuben könnten wohl nicht ertragen, dass das digitale Volk nunmehr Kritik zu üben wünsche (Also im Fall Lanz die Kündigung durch den Arbeitgeber fordern, oft verbunden mit persönlichen Anfeindungen).

Die Erregungskarawane zieht weiter

Irgendwie schlechtes Timing. Denn ein großer Teil der Erregungskarawane ist vom ZDF ein kleine Stück weitergezogen: Zur ARD. Denn gestern ist etwas Ungeheuerliches passiert: Das Erste erreicht das weltweit exklusive TV-Interview mit Edward Snowden. Dies wird sehr breit kommuniziert, ausführlich in den Nachrichten begleitet, bei Jauch häppchenweise vertalkt und anschließend im ganze Stück gesendet.

Und dann geschieht das Unfassbare. Lassen wir kurz Julia zu Wort kommen (Twitter):

Julia und Snowden

Hallo? Geht’s noch? Weitere Digital Gekränkte schließen sich an: Keine internationalen Rechte. Kein Online-First. Keine Sonderprogrammierung. Dafür einen alten Ami und einen Jungen von der BILD zu Jauch eingeladen, die dann auch noch Ihre rechte holprige Meinung sagen. Vollpfosten, Öffentlich-Rechtliche! Dafür zahle ich nun wirklich keine Gebühren!

Digital ist nicht unbedingt differenziert

Man könnte einwenden: Rechtefragen sind gerade im Digitalzeitalter etwas kompliziert, sowohl bei den Verwertungs-Lizenzen als auch bei den Mediatheken. Unterschiedliche Publikumsinteressen zu vereinbaren fällt Programmplanern manchmal recht schwer, wenn sie nicht nur nach dem eigenen Geschmack entscheiden wollen.  So Abwägungs-Zeug halt.

Andererseits wäre es für die ARD tatsächlich einfacher gewesen, mal ein Zeichen zu setzen. Nicht ans allgemeine Publikum, aber in Richtung diskutierende Klasse. Zum Beispiel die Snowden-Story so zu behandeln, wie, sagen wir mal, einen Tornado. Auch die Frage der internationalen Fassung für die Mediathek hätte der NDR anders entscheiden können. Das immerhin ließ sich ja auch noch reparieren. Nur Julia in Kanada geht leer aus. Der Text des Interviews war übrigens längst online, weltweit verfügbar. Ich schätze, auch in Kanada.

Manchmal entscheiden Entscheider nicht jedes Detail glücklich. Was man auch gar nicht so schnell korrigieren und kommentieren kann, wie einem die missgelaunten Tweeds um die Ohren fliegen. Nun geht es auf einmal um das Tochterfirmen-Geflecht der ARD. Ohne Zweifel ein heikles Thema, das man intensiv diskutieren könnte. Aber dazu wird es natürlich genau nicht kommen. Denn wenn die ersten Antworten auf die erregten Fragen der Gemüter vorliegen, wird sich der Schiet-Sturm vermutlich bereits verzogen haben.

Ja genau, das war eine Verteidigungsrede. Von einem  parteilichen Alt-Kader, der die dunkle Seite der ARD-Macht viel zu gut kennt, um gleich Funktionärsidiotie am Werk zu sehen, wenn nicht alle zufrieden sind. Nicht zufrieden MIT EINEM GOTTVERDAMMTEN JOURNALISTISCHEN HIGHLIGHT! Dem Interview von Hubert Seipel, auf dessen angekündigte Dokumentation wir uns schon jetzt freuen dürfen.

Aber nein, er wurde ja „versemmelt“, der scoop.

Ganz am Rande: Das Thema Datenspionage

Was war noch mal das Thema, das wir Edward Snowden verdanken?

Angeblich diskutieren wir  aus Anlass der NSA-Enthüllungen die Zukunft der öffentlichen Kommunikation, vor allem über die Vertrauensfrage in der vernetzten Medienwelt: Wie schützen wir uns, wie schützen wir Daten und wie schützen wir uns vor denen, die uns mit Daten schützen wollen?

Nur leider kommen wir immer wieder ab von dieser komplizierten Diskussion. Denn erst mal muss ja alles mit dem Medienmob feucht-fröhlich durchgewischt werden. Bis jeder den Etablierten einmal gezeigt hat, wo der digitale Hammer hängt. Rein petitionsmäßig.

Ich kann zwar nicht erkennen, was an Click-Raten besser sein soll als an Quotenmessung. Aber dass „das Netz“ immer häufiger mal die Muskeln spielen lässt, erscheint mir evident. Nur: Wo das wohl noch hinführen wird. Zu mehr Demokratie? Zu höherer Qualität? Zu gehaltvolleren Diskussionen? Höchstens möglicherweise.

Gut, ich rege mich bald wieder ab.

P.S.: Sorry, „Julia“ von Twitter. War nur so ein schönes Beispiel.

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