Es ist nur eine Kleinigkeit am Rande großer Texte. Aber vielleicht erklärt sie einen Teil der schlechten Stimmung bei Diskussionen im und ums Netz: Kollateral-Arroganz, das Abkanzeln en passant. Ganze Berufsgruppen werden mal eben nebenbei erniedrigt, erledigt. Journalisten oder die Freiwillige Feuerwehr. Fragt sich nur, ob das der Wahrheitsfindung dient.
Rhetorischer Blutrausch
Wer erfolgreich schreiben will, der haut wohl besser doller auf die Sahne als ich (und fabriziert möglichst auch weniger Tippfehler). Aufmerksamkeit verdient man sich am besten mit Kante und Konzentration, in Zeiten der Kommunikations-Explosion.
Gerade die edelsten Geister lassen es gemein krachen, wirken sie doch im Dienst der guten Sache. Trotzdem lohnt sich der Blick auf ein häufig unterschätztes – bzw. überlesenes – Phänomen: Den Begriff „Kollateral-Arroganz“ habe ich mir gerade, zugegeben, ausgedacht.
Gemeint sind damit die Nebenwirkungen eines rhetorischen Blutrausches, in den sich gerade die klügsten Geister hinein formulieren. Da nimmt dann ein Mensch seine ganze Fachkompetenz zusammen, um eine Ungeheuerlichkeit zu geißeln. Um Vollpfosten mal so richtig mit Butter zu lackieren. Neonazis, Bonzen und, logo, Journalisten. Pauschal natürlich.
Jeder kennt wohl solche Texte, bei denen man immer wieder nur laut „Ja genau!“ ausrufen möchte. Gut gemachte Meinung einfach. Eine Stärke insbesondere der Internet-Kultur. Allerdings mit gelegentlich seltsamen üblen Nachgeschmack.
Ich versuche dies durch kleinkariertes Meckern an zwei furiosen Fischer-Texten zu verdeutlichen: Leo und Thomas.
Besseres Wissen
Wenn beispielsweise Bundesrichter Thomas Fischer in seiner gefeierten ZEIT-Online-Kolumne zulangt, indem er genüsslich allerlei Widersprüche beim Thema „Netzpolitik.org“ aufspießt, dann entstehen so beiläufige Sätze wie:
Journalisten, deren intellektuelle Fähigkeiten und Fachkenntnisse gerade eben zum Zubinden der Schuhe und zum Auftragen von Mascara ausreichen, erklären Hunderttausenden von Medien-Konsumenten die Welt (wie sie ihnen oder ihren Marionettenspielern gefällt).
Der brilliante Rechthaber Fischer als Scharfrichter. Das Zitat oben dürfte als Mem auch dann noch durch den digitalen Kommentar-Raum (wie beispielsweise hier) grooven, wenn der Ursprungstext längst im schwarzen Web-Loch verschwunden ist. Ohne jede Einschränkung durch „Kontext“.
Lässiges Dissen
Nun sollten wir Journalisten/innen uns vielleicht nicht so anstellen. Gerade die Hartgesottenen unter uns. Etwa die Leute von der BILD-Zeitung. Mit denen direkt über ihre Arbeit zu reden sei allerdings nicht immer möglich oder nötig, meinen die kritischen Beobachter vom BILDblog.
Dafür labelt Gastautor Leo Fischer dort die BILD-Leute als Wahrer „einer faschistoiden Form des Bewusstseins inmitten der Demokratie“. Je suis auch für Satire. Aber als Kind vom Lande muss ich trotzdem die Spaßbremse ziehen, wenn die ehrenamtlichen Helfer der Freiwilliger Feuerwehren nebenbei derart von oben eins auf den Helm bekommen:
Die meiste Zeit sitzen die Leute ausgesprochen nichtsnutzig herum, rumpeln männerbündlerisch den Bürgermeister an, erzählen schlüpfrige Geschichten und sind vor Grob- und Doofheit wie besoffen von sich selbst.
Eine „schattenhafte Erinnerung an Bürgerwehr und Miliz“ seien die armen Ehrenamtlichen. Ob es dem Autor um eine gute Pointe, eine schlechte persönliche Erfahrung oder garnix geht, weiß ich nicht. Vermutlich ist das auch nicht wichtig.
Aber gerade um diese Beiläufigkeit geht es mir, um diese Kollateral-Arroganz. Bewusst oder unbewusst, schafft sie den entscheidenden Abstand zum dumpfen Volke im gehobenen Diskurs. So viel feiner Unterschied muss dann wohl doch sein.
Unbekömmlich überwürzt
Im Rahmen dieses meines Weichei-Posts darf ich abschließend feststellen, dass schlechte Stimmung im Netz immer noch besonders gut abgeht. Wir leben weniger in einer Wissens-Gesellschaft als vielmehr in einer Besserwisser-Gesellschaft. Meinungs- und bewertungsgetrieben. So wie dieses mein Web-Log ja schließlich auch.
Andererseits nehme ich aber schon ein zunehmendes Publikums-Bedürfnis nach Digitaler Herzensbildung oder gar Constructive Journalism wahr. Und möglicherweise trägt der unterschwellige Verdruss über Kollateral-Arroganz in seinen vielen subtilen Formen dazu bei. So zumindest meine These, gegen die es allerdings höchste Einwände gibt.
Schließlich weiß ich: Die Wahrheit ist brutal und Gott digital.
Eure Rede sei: Ja, ja, nein, nein. Was darüber ist, das ist von Übel.
So spricht der Herr vermutlich nicht ohne Grund. Das Kein-Wischiwaschi-Gebot. Mir war aber dennoch danach, zu sündigen. Denn ich frage mich immer öfter: Macht die beiläufige Erniedrigung anderer die eigene Sache wirklich größer?
Am Ende bleibt das wohl eine Frage des (legitimen) Geschmacks: Manche tollen Texte finde ich unbekömmlich überwürzt. Zuviel Salz in der Suppe oder besser: So scharf, dass man nur noch diese Schärfe schmeckt. Es entsteht eine unterschwellige Übelkeit.
Aber urteilen Sie selbst. Mein Geständnis: Wenn ich Würstchen an die Macht käme, wäre tatsächlich der Senf manchmal knapp!
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