Handygate – Fortschritt im Kreisverkehr

Angela Merkel unter Freunden

Angela Merkel unter Freunden

Machen wir Fortschritte oder drehen wir uns nur schneller im Kreis? Das frage ich mich immer, wenn mir bei Debatten schwindelig wird. Wie jetzt gerade wieder beim Handygate. Zusammen mit den ersten Herbststürmen wirbelt noch mal der ganze große Datentauschangriff der NSA unsere Medienwelt auf. Doch in Wahrheit kommt die Diskussion nicht vom Fleck. Es fehlt am Mut, den entscheidenden Schritt zu tun.  Am Mut, sich zu fragen, ob wir bereits zu weit gegangen sind.

Entschuldigen will ich den Vertrauens- und Rechtsbruch der US-Geheimdienste nicht. Es ist völlig nachvollziehbar, wenn jetzt  „Botschafter einbestellen“ zum neuen Breitensport in Europa geworden ist. Die Sorge um unser aller Privatsphäre teile ich unbedingt. Protesttelefonate auf höchster Ebene, Untersuchungsausschüsse, Verhandlungsmoratorien – alles schön und gut und richtig.

Auf der anderen Seite kann ich die Amerikaner ein kleines bisschen verstehen wenn sie sagen: „Spione spionieren nun mal“. Jeder Thriller mit einem Budget von über 500.000 Euro führt uns seit Jahrzehnten unter anderem die perfekten Überwachungsmethoden von NSA und CIA vor. Helden von Format ziehen ganz selten vor ihren Aktionen Datenschutzexperten oder Frauenbeauftragte zu Rate. Eher kokettieren sie mit Methoden abseits der üblichen Vorschriften. Begründet wird das gern mit hehren Zielen, Terrorabwehr beispielsweise. Dazu gibt es dann Popcorn und Cola.

Ob nun Frau Merkel einmal zu viel „Bin jetzt im Laden“ gesagt hat oder „Horst macht wieder Terror“, weiß ich natürlich nicht. Jedenfalls wurde sie wohl abgehört und reagierte auf die NSA-Attacken mit einem jugendgemäßen Schnütchen:„Das geht gar nicht.“ „Doch, das geht sogar sehr gut,“ konterte Heute-Show-Moderator Welke am Freitag.

Denn damit sind wir am entscheidenden Punkt: Was geht, wird gemacht. Und das haben wir eigentlich auch bereits allgemein akzeptiert. Wer will schon dem Fortschritt im Wege stehen? Explosion der Möglichkeiten und Erosion der Regeln. So sieht die Doppelnatur des Digitalen Medienwandels nun mal aus. Eine neuen Dimension technischer Entwicklung lässt unsere guten und bösen Wünsche in Erfüllung gehen und sprengt dabei die Grenzen bisheriger  Ordnungssysteme.

Wir umgeben uns mit allgegenwärtigen Beobachtungssystemen und schaffen die Privatsphäre selbst ab. Mehr oder weniger bewusst, aber sehr effektiv. Das Recht auf Privatheit  in der globalisierten Welt aufrecht zu erhalten, wäre nicht nur sehr aufwändig, sondern schlicht gegen den Trend. Sämtliche (Geschäfts-) Modelle der neuen Medienwelt beruhen auf einer intensiven Hochrüstung des Individuums bei gleichzeitiger Abschöpfung seiner persönlichen Daten.

Wir sind theoretisch noch Inhaber von Grundrechten, praktisch werden wir zunehmend Datenträger. Um diese Entwicklung umzukehren, müssen wir uns gegen mehr erwehren als NSA und BND. Wir müssten auch den mystifizierten, missverständlichen Freiheitsbegriff des Internets hinterfragen.  Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob das Netz allen gehört oder niemandem. Im Niemandsland herrscht das Faustrecht. Die Regeln bestimmt, wer die Technik und die wirtschaftliche Macht besitzt. Das sind in der Regel wenige. Ich habe schwer den Eindruck als wäre genau das der Status Quo in der global vernetzten Gesellschaft. Hier stehen wir, aber wir könnten vielleicht auch anders. Wir müssen einen Schritt tun. Und sei es, einen Schritt zurück.

Deine Meinung ist uns wichtig

*