Google-Glaube im Presseclub

Sendung aus einem Guß (Quelle: Screenshot ARD-Mediathek)

Sendung aus einem Guß (Quelle: Screenshot ARD-Mediathek)

Eine Diskussion war es nicht, sondern deren souveräne Verweigerung: „Innovations-Fabrik und Datenkrake – wie gefährlich ist Googles Weg zur Weltmacht?“ Die Journalisten/innen-Runde im Presseclub (ARD / Das Erste) wollte über das Stichwort „Innovations-Fabrik“ einfach nicht hinaus. Als Optimismus-Piraten enterten sie eine Festung ein Flaggschiff altmedialer Skepsis.

Bei dem Sendungs-Titel hätte man ja durchaus Düsteres vermuten können. Eine mechanische Deutungsschlacht zwischen den Fraktionen „Fluch“ und Segen“ des Internets, am Beispiel von Google /Alphabet. Stattdessen haben die Gäste das Thema völlig gegen den Strich gebürstet. Das war weder kritisch noch ausgewogen, aber eben doch aufschlussreich. Sehr gelungenes Scheitern.

Wer also das Denken der digitalen Medien-Elite verstehen will, dem lege ich diesen sonntäglichen Werbeblock der Netzaffinen dringendst ans Herz. Wem dann anschließend nach eher ätzendem Ausgleich zumute ist, der findet ihn zum Thema Google/Alphabet in gewohnter Evgeny- Morozov-Qualität hier.

Blaupause für das Post-Industrielle Zeitalter

Aus den tendenziösen redaktionellen Stichworten „Innovationsfabrik“, ‚“Datenkrake“, „gefährlich“ und „Weltmacht“ fabrizierte die Runde im Presseclub eine Generalabrechnung mit Old Europe und dem deutschen Ingenieurs-Michel. Oft amüsant, manchmal auch arrogant.

Die Besonderheit der Sendung lag aber in ihrer konsequenten Ablehung von Abendlands-Untergangsstimmung.

Marina Weisband wies darauf hin, dass „die klügsten Menschen der Welt“ für Google arbeiten, weil die Firma „ein fantastischer Arbeitgeber ist.“

Dass Google diesen Schritt als Erstes geht, ist erstmal etwas, das unsere Aufmerksamkeit wecken sollte. Nicht in dem Sinne: Ist das alles gefährlich oder aufzuhalten – denn das was passiert, ist nichts anderes als eine natürliche Folge des technischen Fortschritts.

Miriam Meckel sah diese alternativlose Entwicklung als etwas, was sich eben nicht mehr „steuern“, sondern nur noch „gestalten“ ließe.  Sie zeigte sich besonders beeindruckt davon, dass die Google-Köpfe an ihre Mission wirklich „glauben“. Und zum Projekt Alphabet:

Das müssen wir uns genau angucken, weil hier eine Stufe im Wandel des digitalen Kapitalismus gezündet wird, wo Google uns eigentlich die Blaupause liefert, wie das funktionieren kann.

Auch Mario Sixtus riet, sich nicht mehr an die Konzepte der 70er Jahre zu klammern. Etwa an einen veralteten Begriff von Privatsphäre, der auf die heutigen, revolutionären Zeiten nicht anwendbar sei.

Der Begriff Datenschutz ist, glaube ich, kaputt. (…) Wir müssen Privatsphäre neu denken. Wir müssen Privatsphäre auch neu definieren.“

Vielleicht sogar wegdefinieren, wenn der Motor einer Daten vernetzenden Zukunft brummen soll.

Auch Philip Banse erwies artig dem unternehmerischen Geschick von Google seine Referenz, bespielsweise weil dort „Migrantenkinder“ den amerikanischen Aufstiegstraum leben könnten. Andererseits: Ein bisschen quält Banse das Datenthema dann doch. Denn wie das Beispiel Facebook lehre, stünden dem Einzelnen seine Daten nicht zur Verfügung. Das müsse sich ändern.

Diese Regulierungsfrage finde ich ganz zentral.

Hier hätte tatsächlich eine Diskussion beginnen können. Denn das R-Wort (staatliche“ „Regulierung“)  kommt im Google-Alphabet genauso wenig vor wie das D-Wort („Datenschutz“). Aber da ging die Sendung gerade zuende.

Volker Herres, Gastgeber und Analytiker, bringt die Sendung noch schnell auf den springenden Punkt: „Zukunftsgerichtet“ sei sie gewesen. Stimmt.

Kritische Positionen – aus dem Publikum

Das Bonusmaterial in der ARD-Mediathek zeigt auch noch Presseclub  nachgefragt (Phoenix / WDR 5).  Nun kommen kritische Stimmen zum Thema – aus dem Publikum. Per Telefon, wie in den 70ern. Die Zuschauer weisen auf die ungeheure Datenmacht, die Militärpatente, die Geheimdienstverbindungen und die unsichere Job-Perspektive der Nicht-Dateningenieure hin.

Die Antworten aus der journalistischen Experten-Runde sind wohlwollend wolkig, Bestes Schulungsmaterial für jedes Medientraining. Generelle Linie: Wird schon werden. Freuen wir uns vor allem auf das bedingungslose Grundeinkommen nach dem Ende der „Sklavenarbeit“ (Weisband).

Die entscheidende Frage eines Zuschauers des Presseclubs dürfte aber noch eine ganze Weile offen bleiben :

Wo bleibt die breite gesellschaftliche Debatte?

Tja, wo bleibt die? Und bringt die überhaupt noch etwas?  Denn aus nahezu jedem Beitrag der Runde wurde deutlich: Weil der digitale Wandel eine unwiderstehliche Revolution ist, können wir sie eigentlich gar nicht mehr diskutieren, sondern nur noch interpretieren.

Ist das dieser Gesellschaft wirklich bewußt?

Mich hat diese Sendung sehr aufgeregt, weil sie so anregend war. An dieser Stelle die „Offenlegung“: Ich kenne und liebe die ARD, habe ihr viel zu verdanken. Vor aber allem habe ich eines dort gelernt:
„Wer schweigt stimmt zu.“

Kommentare

  1. thomas meint:

    Ach ja….das Wörtchen Kultur war nicht mehr existent.

    Die Verwandtschaft zwischen politischem und digitalem Totalitarismus liegt in der Zerstörung der Privatheit, die das Individuum schutzlos macht.
    …der Einzelne ist das erste besetzte Gebiet

    • So schwarz kann man das eben auch sehen. Die spannende – und offene – Frage bleibt allerdings: Stimmt die These von der Alternative zwischen Totalverweigerung und Vollvernetzung tatsächlich?

      • thomas meint:

        zum Thema Kultur bei der Debatte gibt’s ja dieses schöne Statement als Bild gefasst:
        http://medialogy.de/process/?p=3517

        Das andere Zitat kommt ja von hier:
        http://gedankenstrich.org/2015/04/harald-welzer-zum-digitalen-totalitarismus/

        Totalverweigerung ist natürlich Blödsinn…und immer wird es auch eine Alternative geben.
        Man muss diese auch wollen und wieder in die Diskussion zurückholen.
        Ebenso läuft ja die Diskussion Finanzmarktkapitalismus versus Politik…..wo es angeblich auch keine Alternative gibt.
        Ansonsten bleibt nur die Aussicht auf:
        …der Einzelne ist das erste besetzte Gebiet

        • Vielen Dank insbesondere für den außerordentlich substanziellen Link auf den „Gedankenstrich“. Unterstrichen wird dort auch einer meiner Lieblingsgedanken (besser: -Träume): Das umfassendende Modell einer breiten Vermittlung von Medienkompetenz. Selbstverständlich nicht nur technisch betrachtet, aber auch. Dieses Unterrichtshauptfach von der Schule bis in die Erwachsenenfort- und Journalisten-Ausbildung wünsche ich mir sehr.
          Ein selbstbestimmter Umgang mit, eine kritsche Diskussion über Medien setzt nämlich die Möglichkeit des Begreifens voraus. Der notwendige Begriffsapparat steht aber nicht allen zur Verfügung. In Teilen ist er vielleicht auch noch gar nicht entwickelt. Stattdessen erleben wir viele Diskussionen zwischen Panik und Mystik.
          Und richtig: Fangen wir alle bei uns selbst an!

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