Fragwürdig und bösgläubig

Amerika führt mit Eins zu Null

Amerika führt mit Eins zu Null

Wie geht es weiter mit unserer digitale Existenz, wenn Edward Snowden Venezolaner geworden ist und Angela Merkel bei den US-Amerikanern ordentlich auf den Stuck gehauen hat? Wenn der Moment gekommen ist, da Royal Babies, Moslembrüder oder Profifußballer die Themen Tempora und PRISM (ich erwähne die Stichworte hier zur Suchmaschinen-Optimierung) auf die hinteren Speicherplätze gedrängt haben. Zum Zwecke der Nachhaltigkeit einer wichtigen Debatte darf sich vorsorglich jeder, der einen Blog betreibt, etwas wünschen. Ich bin für bösen Glauben und gute Fragen.

Ob als Helden oder als Verräter, ein blasser Whistleblower hat uns buchstäblich bösgläubig gemacht. Dieser schöne Begriff stammt übrigens von Juristen und betrifft Situationen, in denen wir bereits zu viel wissen, um noch gutgläubig handeln zu können. Selbst wenn wir nichts lieber wollten als genau das: unangenehmes verdrängen. Nun aber hat eine erstaulich breite Öffentlichkeit zumindest eine Vorstellung von „Biiiig Dataaaa“ bekommen. Und das ist gut so.

Für Erna und Otto Normalsurfer – die in allen Diskussionen so gut wie keine Rolle spielen – war es bislang doch eher eine dunkle Ahnung. Klar, wir müssen online dauernd irgendetwas eintippen, während im Hintergrund die Cookies wursteln. Aber was soll es? Wird schon für irgendwas gut sein! Hauptsache schnell und bequem ans Ziel. Wo doch bisher im fröhlichen Digitalen Wandel hauptsächlich eine Verkehrsregel galt: „Wer bremst, ist feige“.

Aber so reizvoll und chancenreich der neue Wilde Westen namens Cyberspace auch ist, Faustrecht bleibt Faustrecht. Danach handeln jedenfalls die (Vereinigten)Staaten und ihre Diener. Genauso handeln die Konzerne. Es gilt das Recht des Stärkeren (technischen Zugriffs). Als Reaktion darauf wollen Netzfreiheitskämpfer jetzt mit Verschlüsselungs-Software zurückschlagen. Damit können wir uns dann den direkten email-Weg zum Adressaten – oder Informanten – freischießen.

Vornehmer und sachverständiger ausgedrückt, liegt der Befund schon etwas länger vor: Eine fleißige Enquete-Kommission des Bundestages hat in ihrem Bericht im März 2012 festgestellt, dass die „Handlungslast“ des Datenschutzes mehr und mehr auf den Einzelnen verlagert wird. Die internationale Gesetzgebung komme derzeit nicht so recht hinterher. Es gibt deshalb leider weder allgemein verbindliche digitale Grundrechte noch Institutionen, die sie durchsetzen würden. Nur nationales Stückwerk.

Es fehlt im Globalen Mediendorf demnach am Notwendigsten: „Vertrauen“ und „Kontrolle“, im richtigen Mischungs-Verhältnis. Blindes Vertrauen würde immer zu Enttäuschungen führen, wie sie gerade viele Gläubige in der Netzgemeinde erleben. Totale Kontrolle bedroht unser aller Freiheit, weil Technokraten eben auch Herrscher sind, wovor uns Netzaktivisten immer zu Recht gewarnt haben. Die Aufgabe besteht nun darin, ein Vertrauen2.0 zu begründen, das wiederum mittels einer gesellschaftlichen legitimierten Kontrolle2.0 gesichert wird. Neue Versionen braucht das Land.

Wenn nun schon alles fragwürdig geworden ist, dann machen wir doch aus dieser Not eine Tugend: Versuchen wir also, die richtigen Fragen zu stellen. Zum Beispiel im Wahlkampf. Auf überzeugenden Antworten könnte neues Vertrauen aufbauen. Gibt es ein Grundrecht auf offline? Wie sähe es eine Algorithmen-Ethik aus? Was kennzeichnet „Netzneutralität“ genau? Oder ganz persönlich: Weiß ich, was ich tue, wenn ich online bin? Wer weiß das noch? Will ich das wissen?

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