Ein Blick von außen: re:publica

Trotz alledem: Lobo-Redner (Foto: Gregor Fischer / CC-BY 2.0)

Trotz alledem: Lobo-Redner (Foto: Gregor Fischer / CC-BY 2.0)

Rasant rauschen die Tweets. Wer das Hashtag „#rpten“ als Suchbefehl bei Twitter eingibt und sich dann die Resultate mit dem Tool Tweetdeck darstellen lässt, bekommt zur Belohnung einen schicken symbolischen Effekt geboten: Kaum fassbar die Geschwindigkeit des Gedankenstroms, unbegreiflich seine thematische Breite. Die zehnte „re:publica“ – Puls dieser Zeit.

Da kommen die Kerneigenschaften des digitalen Wandels einmal mehr auf den Punkt: Vervielfältigung und Beschleunigung. Ich habe die „re:publica“ aus der Bremer Ferne per Notebook verfolgt, also wiederum in Internet bedingter Nähe. Egal – die jährliche Großversammlung der oberen digitalen Zehntausend beeindruckte und überforderte auch aus der Distanz.

Was mich ja nicht verwundern sollte, denn im neuen Zeitalter fließt bekanntermaßen alles online zusammen: Politik und Technik. Wirtschaft und Gesellschaft. Überwachung, Hacking, Digital-Geld, Gender. Die re:publica macht das unwiderstehliche Angebot, sich kompetent und komplett über zu informieren. Sehr zu empfehlen, sich darin zu verlieren.

Dabei sein können wir also quasi alle. Und somit diejenigen beobachten, die wirklich dazu gehören: Nerds auf dem Weg zur Macht. Die Eliten der Stunde. Wie viel Einfluss diese neue Klasse inzwischen auf die Öffentlichkeit hat, konnte einer der Gründerväter der re:publica, Markus Beckedahl von netzpolitik.org, im vergangenen Jahr erleben. Die Online-Sturmgeschütze des Informationszeitalters schossen aus allen Rohren, als man ihn und seinen Kollegen wegen Landesverrats verfolgen wollte. Unbedingt abwehrbereit und erfolgreich.

Gleichzeitig, so scheint es, frisst die digitale Revolution ihre Blogger. Genauer: die wahren Blogger der ersten Stunde. Jene Pioniere mit der Vorstellung eines neutralen, partizipativen Netzes zum Wohle aller. Denn der Erfolg der massenhaft vernetzten/überwachten/kommerzialisierten Kommunikation hat ihren Preis: Massenhaft Hass und Ungereimtheiten.

Die Netz-Avantgarde sieht sich heute vom Mainstream umspült und – schlimmer noch – von links und rechts überholt. Quo vadis? Kehrtwende? Spurt? Ausweichen? Aufgeben?

Berater-Blogger Sascha Lobo misst der Digitalen Gesellschaft seit Jahren auf der re:publica die Temperatur. In einer Art netzpolititischem Ascher-Montag setzte er in süffig-süffisantem Sound das Grund-Thema zum Auftakt der drei vollen Tage. Diesmal: Enttäuschung und Depression.

Naja, nicht ganz. Obwohl er so viele Internet-Illusionen hat platzen sehen, will Lobo die Vision nicht aufgeben. Deshalb rief er das „Age of Trotzdem“ aus. Als Trotzdem-Reaktion auf die vielen digitalen Kränkungen der letzten Jahre. (Fast wie einst Hannes Wader: „Trotz SPD und alledem …“). Weiter Handeln und Träumen, aber auf höherer Bewusstseinsstufe.

Dass es, wohin auch immer, in Riesenschritten vorangeht, hat uns diese re:publica als Gedanken-Stream eindrucksvoll vor Augen geführt. Vielleicht, so gibt er selbst zu, erliegt Sascha  Lobo ja langsam einem Alters-Effekt. Eines seiner Lebensgefühle kleidet er in den Begriff einer „Digital-Lost-Generation“. Traumatisiert von verlustreichen Schlachten um Netzneutralität und digitale Herzensbildung.

Aber seien wir getrost: Eine neue Generation ist bereits verfügbar.

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