Herbststürme, Buchmesse – Zeit, sich mit einem Roman ins Haus zu verkriechen. Auf die Wirklichkeit muss man dann trotzdem nicht verzichten. Vor allem wenn Journalistinnen wie Petra Reski Krimis schreiben.
Journalistische Haltung lässt sich durchaus mit literarischer Unterhaltung verbinden. Reski ist eine Autorin, die sich besonders auf die Fortsetzung der investigativen Reportage mit fiktionalen Mitteln versteht. Deshalb sind bei ihr auch die Geschichten hinter der Geschichte spannend.
Die Wiederholungstäterin hat bereits ihren dritten Kriminalroman zum Thema Mafia vorgelegt. Er spielt in Italien und Deutschland. Ja, auch und gerade in Deutschland! Wichtiger Hinweis, weil in der öffentlichen Wahrnehmung organisierte Kriminalität hierzulande immer noch massiv unterschätzt werde, findet Reski.
Das wäre auch kein Wunder, denn Journalisten werden häufig von der Mafia eingeseift oder eingeschüchtert. Letzteres ist Petra Reski mehrfach passiert, etwa mit indirekten Hinweisen nach dem Motto: „Wir wissen, wo Du wohnst!“ Oder mit juristischem Druck, einer Anzeige wegen Beleidigung zum Beispiel. Immerhin birgt Verdachtsberichterstattung über organisierte Kriminalitätt für deutsche Medien ein hohes rechtliches Risiko. Anders als in Italien.
In dieser Saison ist nun also „Bei aller Liebe“ erschienen, der dritte Fall um den Ermittlungs-Vamp Serena Vitale, einer Staatsanwältin aus Palermo mit deutschen Wurzeln. Der hochaktuelle Plot kreist um das schmutzige Geschäft mit Geflüchteten in Italien und Deutschland. Nebenbei wird noch kurz die Invasion Venedigs durch Kreuzfahrtschiffe abgehandelt, die ja ein Verbrechen eigener Art darstellt.
Soviel zum Plot. Ansonsten gibt es ja bereits einige hilfreiche Rezensionen. Mir geht es hier wie immer ums Mediale.
Romane wie die von Petra Reski ziehen im Krimi eine Medien-Meta-Ebene ein. Insofern habe ich das neueste Werk der Autorin mit der Branchen-Brille gelesen. Reski scheint diesmal noch mehr Gewicht auf die Medien-Aspekte zu legen. Deshalb erhält die Figur des leicht angetrottelten Old-School-Reporters Widukind Wieneke zusätzlichen Raum. Fürs Guerilla-Markting spendierte ihm die Autorin sogar einen eigenen Facebook-Account.
Die großen Branchenwandel-Themen – Finanzierungsprobleme, Fake-News und Glaubwürdigkeitskrise – werden recht gallig vehandelt. Wenn beispielsweise Enthüllungsjournalist Wieneke auf seinen ehemaligen, höchst wendigen Chefredakteur trifft und dieser sich beschwert:
Versteh mich nicht falsch, natürlich begrüße auch ich es, wenn sich Menschen über Palttformen in Internet Gehör verschaffen. Aber uns Journalisten zu unterstellen, wir würden Nachrichten unterdrücken, ist bösartig.
Das feuchte Tuch auf Wienekes Gesicht wurde langsam kalt. Diesem Sackgesicht bei seinem Wort zum Sonntag zuhören zu müssen, hatte ihm gerade noch gefehlt. Wer kroch denn jedem Unternehmer in der Arsch? Wer ließ sich denn auf Segeljachten mitnehmen.
Nein, die Etablierten – ob werbefinanzierte Zeitschriften oder öffentlich-rechtlicher Sender – kommen „Bei aller Liebe“ nicht besonders gut weg. Als Wieneke versucht, seine brisante Mafia-Story unterzubringen, blickt er nur auf spitze Finger. Und wenn er für ein kleines Online-Medium arbeitet, dann steht der Journalist hinterher mit dem rechtlichen Risiko ziemlich allein da.
Da können Leser dann zwischen den Zeilen einen Konflikt aus dem realen Branchenleben nachlesen: Der öffentliche Streit mit dem Herausgeber des Freitag und Spiegel-Kolumnisten Jakob Augstein. Der Fall: Petra Reski hatte für den Freitag über einen Mafia-Prozess in Erfurt berichtet. Daraufhin wurden das Blatt sowie seine Autorin von einem Prozessbeteiligten verklagt. Der Freitag gab nach – und verweigerte der eigenen Autorin Rechtsschutz. Dies rechtfertigte Augstein einigermaßen pampig:
Redaktionen sind keine Rechtschutzversicherung für schlampige Recherche
Petra Reski reagierte mit einer erfolgreichen Crowdfindung-Kampagne, um ihre Anwaltskosten zusammen zu kratzen. Außerdem skandalisierte sie den Vorfall in aller Medienöffentlichkeit. Schließlich hat Reski Augstein auch noch verklagt: Rufschädigung.
Das zuständige Gericht empfahl dieser Tage eine Mediation. Vernünftige, vermittelte Kommunikation ist eigentlich immer ein guter Rat in diesen unversöhnlichen Zeiten. Vielleicht hatte Jacob Augstein, der Vielbeschimpfte, damals ja einfach nur wurschtig reagiert. Ohne allzu tief über die Causa Reski nachzudenken. Auf der Höhe des moralischen Feldherrnhügels geht der Blick für die Mühen der investigativen Ebene wohl manchmal verloren.
Am besten wäre sicher Reflektion: Beispielsweise über das Rollenverständnis eines Medienbetriebes. Denn Verlage, Rundfunkanstalten oder Medienportale sind, unter anderem, am Ende eben DOCH: Rechtschutzversicherungen bei riskanten Themen. Es darf nicht sein, dass allein schon eine Klage-Androhung Journalisten mundtod macht.
(UPDATE am Nachmittag:) So ganz eindeutig geregelt scheint das selbst im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht mehr zu sein. Wie eine aktuelle Auseinandersetzung zwischen freien Dokumentarfilmproduzenten und den Anstalten zu belegt.)
„Bei aller Liebe“ sei also hiermit Krimi-Liebhabern und Medienleuten, tja, „ans Herz gelegt“. Auch wenn das Romanpersonal statt strahlenden Helden eher Sisyphos-Arbeitern ähnelt. So richtig viel Optimismus kommt in der Geschichte nämlich weder für die Gesellschaft noch für den Journalismus rüber. Eher klingt da ein systemkritischer Sound durch. Neben viel Witz und Spannung.
Andererseits: Petra Reskis Alter-Ego-Figuren geben nicht auf. So wie ihre Schöpferin. Recht so.
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