Die Arroganz der Ohnmacht

Heiter weiter (Foto: Jean Julius / CC BY-SA 3.0)

Heiter weiter (Foto: Jean Julius / CC BY-SA 3.0)

Die Neujahrsansprache von Sascha Lobo: Er warb für Optimismus in Zeiten des kaputten Internets und erzeugte damit einige Reaktionen, von geziert gewittert bis gekonnt gekontert. Von abgewogener Zustimmung  bis zustimmender Ablehnung. Bleibt die Frage: Was nun? Auf der Suche nach einer Antwort stoßen wir auf die Ignoranz der Macht, aber auch auf die Arroganz der Ohnmacht.

So sieht sie aus, die Kränkung „im Netz“ über die verlorene Illusion vom Internet: Viel Kritik an Politik und Wirtschaft, manche Klage über die Schlechtigkeit des Menschen, der nicht gut genug fürs Internet sei. Stets dabei, der Zorn über die Gemeinheit der Geheimdienste und über „den Staat“ im Allgemeinen.

Klar: Wenn der Staat sich vom Bürger abwendet und ihn zum Objekt, ja zum grundsätzlichen Sicherheitsrisiko macht, dann ist schlimm. Mehr als schlimm. Aber wenn sich umgekehrt die Bürger vom Staat abwenden und ihn für überflüssig erklären, dann wird es gefährlich. Sehr gefährlich.

Natürlich wirken die offiziellen Akteure und Institutionen überfordert im Umgang mit den Herausforderungen des Digitalzeitalters. Schon das nährt Grundsatz-Zweifel, die sich aber in blanke Wut steigern, wenn wir uns die Übergriffe durch die NSA sowie den Umstand klarmachen, dass eine Bundeskanzlerin um eine „No-Spy-Erklärung“ winseln muss. Ignoranz der Macht, vor allem der Online-Supermacht USA. Yes.

Trotzdem sei eine unbequeme Frage erlaubt: Gibt es nicht auch so etwas wie eine Arroganz der Ohnmacht? Die sich nur in Anklagen gegen Gott, Google und Geheimdienste ergeht? Die hauptsächlich darüber jammert, dass finstere Mächte den Weg in die helle digitale Zukunft verstellen? Sind wir User tatsächlich alle Loser? Oder machen wir es uns nur bequem im Jammern und Schultern zucken?

In einer Antwort darauf sehe ich gleichzeitig einen Hinweis auf jenen „Optimismus.14.0“, den die Digital Desillusionierten laut Lobo nach ihrer Enttäuschung entwickeln sollten.Was ich dabei dem  Blogger und Berater hoch anrechne, ist, dass er seinen Job nicht als Klugscheisserei, sondern als Bewusstseins-Erweiterung auslegt.

Lobo kündigt das Zeitalter des Absolutismus in der Digital-Diskussion mit dem Eingeständnis eines Irrtums ab. Um den Weg frei zu machen für das mühsame Verfahren, nach Kompromissen zu suchen. Sein Appell auf Spiegel Online: Auf in den scheinbar aussichtslosen Kampf! Für Freiheit und Sicherheit im Netz. Was weder ohne Bürger noch ohne Staat(en) zu machen ist. Ohne Demokratie schon gar nicht.

Diese Taktik bietet eine überzeugende Alternative zur disruptiven Augenwischerei und dystopischer Unkerei. Nur anstrengend wird es, angesichts der komplizierten Aufgabe. Die Kehrseite des Selbstbewusstseins heißt Eigenverantwortung: Also die eigenen Möglichkeiten nutzen, seine kleinen Schritte selbst gehen. Mit all den Gefahren, sich zu verirren oder zu stolpern.

Denn wir haben die Wahl, nicht nur an der Urne. Als Konsumenten – und Produzenten – der Onlinewelt gestalten wir die Verhältnisse mit, wenn auch höchst kleinteilig. Die Botschaft von den Fehlentwicklungen im Digitalen Wandel heißt ja weder, dass man ihn aufhalten kann noch dass er in die Hose gehen muss. Nur gibt es kein unbestechliches Navi zur Online-Glückseligkeit.

So bewusst wie möglich entscheiden. Genauer kann ich diese Option nicht beschreiben. Dabei ist der Einfluss des Einzelnen so winzig wie die im Supermarkt, wenn es darum geht, ethisch saubere Ware zu kaufen. Wer zum Beispiel auf superbilliges Fleisch von Hochleistungshühnern nicht verzichten will, unterstützt immer auch ein Zuchtverfahren, bei dem Küken mit dem falschen Geschlecht gleich geschreddert werden. So einfach ist das manchmal, vor allem für die Tiere.

Opt-In und Opt-Out also. (Das bezieht sich nicht mehr auf die Küken). Die digitale Entwicklung ist dafür offen. Und Offline muss möglich bleiben. Sascha Lobo hat jetzt weiteres Nachdenken in diese Richtung angestoßen, mindestens den Diskurs verbreitert.

Wir Bürger sollten optimistisch die Enttäuschung die verlorene Unschuld des  Internet verwinden. Mit Hilfe von reaktivierten Tools namens „Selbstbewusstsein“ und „Eigenverantwortung“  Ohnmacht überwinden.

 Das wäre souverän.

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