So fühlt er sich nun an, der kalte Medienkrieg! Immer noch schmerzhaft, diese post-trumpale Belastungsstörung. Mit Donald Trump stehen wir nun touchy am Tipping Point. Zeit für einige nüchterne Notizen und einen Appell.
Es herrscht derzeit allgemeiner Erklär-Zwang im Medien-Milieu. Wir erleben allerorten einen sehr grundsätzlichen, ja existentialistischen Job-Talk: Alles muss raus, gerade jetzt. Bevor „es“ zu spät sein könnte.
Was da aktuell als Zeitenwende daherkommt, haben wir teilnehmenden Beobachter des Medienwandels allerdings mindestens geahnt und oft auch aufgeschrieben. Wortreich, wenngleich folgenlos.
Die Entwicklung 2016 darf durchaus schockieren. Überraschen muss sie einen nicht. Der Wandel ist ein Wiedergänger – die thematischen Grundmotive des Sozialen wiederholen sich ständig, nur tun sie das heutzutage immer massiver und schneller. Entsprechend den Haupt-Kennzeichen des vernetzten Zeitalters: Masse und Beschleunigung.
Wie Not-Triebe an einem todkranken Baum erblühen derzeit Unmengen analytischer oder hysterischer Texte zur Lage der Nationen. Auch schaurig-verblüffende neue Worte gibt es zu bestaunen: misinformation ecology etwa (für mediale Irreführung).
Wie heißt es im Slang? Nahezu nuff said.
Mein Beitrag wirft daher nur Schlaglichter auf mir wesentlich erscheinende Schlüsselbegriffe. Tiefere Begründungen für das, was nun kurz und knapp behauptet wird, finden sich im Grunde im gesamten Archiv dieses Blogs.
Wahrheit:
Sie stand noch nie wirklich fest und spaltet sich jetzt auf, in ein post-faktisches schwarz/weiß oder 0/I.
System:
Themenstreit und Systemkritik haben sich bei jeder wichtigen Fragestellung nahezu unentwirrbar verknotet.
Establishment:
Im gesellschaftlichen Machtkampf ist „nach dem Establishment“ gleichzeitig „vor dem Establishment“.
Eliten:
Anders ausgedrückt: Digitale Post-Eliten werden auf lange Sicht die analogen Ex-Eliten verdrängen.
Vertrauen:
Das soziales Ur-Vertrauen ist in der alten Version abgelaufen und eine neue leider noch nicht verfügbar.
Kontrolle:
Die meisten sehen beim Thema Kontrolle einen Verlust, wenige andere hoffen auf gute Geschäfte.
Disruption:
Lösungen von gestern gelten als Probleme von heute und werden durch Hoffnungen auf das Morgen ersetzt.
Wandel:
(Medien-) Geschichte wiederholt sich zwar nicht, aber sie variert die altbekannten Motive.
Netz:
Das Internet ist kein herrschaftsfreier Raum, sondern in weiten Teilen verantwortungsfrei und autoritätslos.
Öffentlichkeit:
Die „5. Gewalt“ vernetzter Öffentlichkeit zu bändigen, wäre Ziel eines neuen Gesellschaftsvertrages.
Mainstream:
Die Meinungsdämme sind gebrochen und die gesellschaftliche Kommunikation sucht sich neue Bahnen.
Medienkompetenz:
Kennen, Können, Dürfen – das sind Kern-Kompetenzen für die totale Informations-Gesellschaft.
Journalismus:
Er könnte für unsere gespaltene Gesellschaft Entscheidendes leisten: Mediation durch Information.
Zukunft:
Wenn wir lieber mit Worten als mit Waffen kämpfen wollen, müssen wir den kalten Medienkrieg beenden.
Dialog ist die erste digitale Bürgerpflicht
Das geht nur im Gespräch, auf allen denkbaren Kanälen. Mit allen Sprechfähigen. Nicht nebeneinander. Und es bringt uns nur weiter, wenn sich Menschen dazu motivieren lassen, die bislang schweigen. Sei es nun, weil sie sich von den allzu Wohlmeinenden über den Mund gefahren und belehrt fühlen. Oder sei es, weil sie sich niedergebrüllt und bedroht fühlen von Wutschreienden.
Durch Reden lassen sich die die Dinge durchaus regeln. Klären wir uns gegenseitig auf. Oder klären wir wenigstens die Positionen. Machen wir aus der Behauptungskultur eine Beteiligungskultur. Sehen wir den Fehlentwicklungen der vernetzten Gesellschaft ins Auge. Und ergreifen wir kommunikative Chancen.
Raus aus Blasen und Kammern – Dialog ist die erste digitale Bürgerpflicht!
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