Der Staat – dein Feind und Helfer

Von wegen - der Staat bin ich!

Von wegen – der Staat bin ich!

Die bemerkenswert öffentliche Debatte um PRISM und tempora ist so wichtig, dass ich mir Sorgen mache, sie könnte bald vorbei sein. Sollten sich nämlich die Fronten in der Diskussion wieder zum Stellungskrieg verhärten, werden die Klischee-Granaten tief fliegen. Die ersten Einschläge sind selbst in klugen Beiträgen noch zu bemerken: Feindbilder.

Sicher – wer Grundrechte auch in der digitalen Welt gesichert sehen will, der steht derzeit unter Schock. Soviel Vertrauen zerstört, berechtigtes, blindes und naives gleichermaßen. Man weiß bislang ja nicht mal so richtig, wofür überhaupt. Terrorismus-Abwehr? Wirtschaftsspionage? Das waren vermutlich Anlässe, aber dahinter scheint es um das Prinzip „Kontrolle“ zu gehen. Totale Kontrolle. Hier sind die Beteiligten zu weit gegangen. Die „Amerikaner“, die „Politiker“ und – ganz weit vorn – „der Staat“. Nun sind sie Feindbilder.

Dennoch: Jetzt müssen wir Enttäuschten ganz stark sein. Wir dürfen uns nicht abwenden: Nicht von den Amerikanern, nicht von den Politikern, nicht vom Staat. Vor allem aber nicht vom Problem. Denn das besteht in einer Lücke, die wir nur in gemeinsamer Anstrengung schließen können. Einer Lücke, die so atemberaubend groß ist, dass man sie erst mal gar nicht wahrnimmt: Es gibt kein Recht im Internet!

Nur Leitungen und Daten. Und Meinungen, jede Menge Meinungen. Was deren Austausch bzw. Unterdrückung betriff, herrscht prinzipiell Faustrecht, wenn auch internationales. Das darf auch niemanden verwundern, denn die gewaltige Explosion der Möglichkeiten im Cyberspace hat die bisherige Konzepte – etwa die nationalen Datenschutzregeln – ausgehebelt. In die Regelungslücken dringen leider nicht nur liebenswerte Anarchisten, sondern vor allem mächtige Interessenten ein. Ob nun im Regierungsauftrag oder auf eigene Rechnung.

So darf es natürlich nicht bleiben. Alternativen? Vertrauliches nur noch auf dem abhörsicheren Schulklo austauschen? Internet-Recherche nach Grünkohl-Rezepten mit MI-6-Kryptosoftware? Viel prosaischer, lieber Staatsbürger: Einfach mal weiterlesen, wenn in der Zeitung von „Netzneutralität“, „Datenschutz“ und „Medienkompetenz“ die Rede ist. Parteien genau nach ihrer Position dazu fragen, AGBs von Internet-Diensten lesen. Vorsichtiger werden. Ich werde versuchen, mich auch selbst daran zu halten. Wird schwer.

In Zukunft muss es jedoch vor allem wieder die Aufgabe des Staates werden, das Einhalten von Regeln zu überwachen anstatt das Verhalten der Bürger zu kontrollieren. In unser aller Auftrag. Dazu brauchen wir die entsprechenden allgemeinverbindlichen Rechte und Regeln. Genau darum geht es in den PRISM- und tempora-Diskussionen leider immer noch zu selten. Wenn erst mal der verständliche diplomatische Zorn der Europäer verraucht ist, wäre mit der Debatte vielleicht schon fast Schluss.

Am Sachverstand wird es nicht mangeln. Aber der Marsch des Themas Daten-Grundrechte wird nur dann erfolgreich durch die nationalen sowie internationalen Institutionen verlaufen, wenn das Wahlvolk Druck macht. Und damit ist weit mehr gemeint als über „Amerikaner“, „Politiker“ oder den „Staat“ zu meckern. Im Gegenteil, das wäre sogar sehr bequem für alle Beteiligten, insbesondere Spion&Spion.

Edward Snowden gilt seinen Gegnern völlig zu Unrecht als Staatsfeind Nr. 1. Dabei ist er das glatte Gegenteil. Seine Tat hat das Zeug, die Idee einer Gesellschaft von ihrer Selbstorganisation als Staat neu aufleben zu lassen. Dazu mussten wir erst erkennen, wie weit es schon gekommen ist. Angesichts dessen, was er wusste, sah der Whistleblower sich zum Handeln gezwungen, aus bürgerlicher Pflicht. Thank you, Mr. Snowden! Nun sind wir dran. Was für ein Wahlkampfthema!

 

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