Aufmerksamkeitökonomen aufgepasst! Comedian Jan Böhmermann, Großkapitalist auf dem symbolischen Medienmarkt, durchfliegt derzeit starke Kursturbulenzen. Was bedeutet das für die Satire-Branche? Feindliche Übernahme durch korrekte Politik? Marktbereinigung? Mindestens einen unguten Konjunktureinbruch.
Zu den komplizierteren Fragen in der Attention Economy gehört diese: Wenn öffentliche Wahrnehmung eine Währung ist, wie gehen wir dann mit deren negativer Ausprägung um? Sobald zum Beispiel mediale Reaktionen auf einen Satire-Versuch auf Recip Tayyip Erdogan richtig übel ausfallen. Und zwar nicht nur beim Betroffenen.
Werbefachleute hätten da einen klassische Trost parat: „Any Promotion is good Promotion.“ Tatsächlich gelingt es ja beispielsweise Rechtspopulisten, ihren milieuinternen Marktwert gerade durch die negative Darstellung in der „Lügenpresse“ voll aufzuladen.
Allerdings funktioniert dies durchaus auch negativ, als entwertende Aufmerksamkeit gleichsam, wie wir gerade erleben. Im Angesicht der prestigeträchtigen Grimmepreis-Verleihung bringt Jan Böhmermann diesen Verlust noch einmal selbst auf den Punkt – er glänzt durch Abwesenheit.
Deshalb formuliere ich die PR-Formel vorsichtiger: Jede Promotion hat Folgen, gute oder schlechte. Diese bestimmen den Wert einer Marke in der Wahrnehmung einer spezifischen Öffentlichkeit. Gleichzeitig wirkt sich das auf den entsprechenden Produktbereich aus, in diesem Fall auf die Konjunktur der politischen Satire.
Also: Müssen wir Jan Böhmermann nun abwerten? Einerseits hat er mit dem Adolf Grimme-Preis gestern eine erhebliche symbolische Kapitalspritze erhalten. Andererseits sitzt ihm die Staatsmacht im Nacken. Und eine recht einflussreiche Kritikergruppe entzieht ihm positive Aufmerksamkeit. Vorsichtig ausgedrückt.
Mal wieder „kippt Stimmung“ im Medienland: Böhmermann wird vom Darling zum Wüstling. Oder zum „Quengeligen Quotenkasper“, wie unser hiesiger Weser Kurier stabreimt. Was zunächst viele an J.B. gereizt haben mag – diese irritierende Undurchschaubarkeit – verstört offenbar zunehmend.
Nun rechnen einige mit dem Unberechenbaren ab. Dramatischer Kurseinbruch! Mag ja sein, dass das nicht weiter schlimm ist. So läuft´s halt im Selbstvermarktungsgeschäft. Die Funktionärsseele in mir flüstert Beruhigendes ein: Verantwortungslose Provokation um seiner (Böhmermanns) selbst willen – das geht irgendwann zu weit.
Blöd nur, dass wir von Satire reden.
Von einem Demokratie-DNA-Bestandteil also. Von einzelnen Protagonisten, die Risiken eingehen und von mächtigen Antagonisten, die das ertragen können müssten. Sollte ausgerechnet in diesen Zeiten Mut zum Irrtum bestraft werden? Bloß nicht, sagt dagegen Martin Sonneborn. Der Ex-Titanic-Mann und „Die Partei“-Nichtpolitiker. Bei dem weiß man allerdings auch nie so genau.
Vor mehr als einem Jahr fühlten sich viele von uns – mich eingeschlossen – durch die Schüsse auf Charlie Hebdo getroffen. Zugegebener Maßen war das ein heikles, merkwürdiges Bekenntnis. Traf es doch nur sehr, sehr symbolisch zu und war ebenso leicht gepostet wie ein „Je suis Charlie“. Aber der brutale Angriff auf die Meinungsfreiheit hatte gesessen.
Worum es im Kern bei der Verteidigung des Satire-Rechtes geht, wollte seinerzeit der Enthüllungs-Journalist Glenn Greenwald auf widerlich schonungslose Weise offenbaren. Indem er daran erinnerte, wie böse und verletzend das Pariser Magazin mit allem umgegangen ist, was einer Gesellschaft heilig sein könnte.
Greenwald hat dazu auch eine Reihe von anti-israelischen Karikaturen publiziert. Zeichnungen von der Art, die ich zuletzt bei geschichtlichen Recherchen im Nazi-Blatt „Der Stürmer“ gesehen hatte. (Ich verlinke das nicht mehr, ich will das Zeug möglichst nie mehr sehen.)
Obwohl er es vermutlich nicht beabsichtigt hatte, gab Greenwald damit letztlich doch einen Hinweis auf jene schwer zu beschreibende Barriere, die man der rücksichtslosen Freiheit politisierter Kunst setzen könnte: Sie endet für mich dort, wo nur noch mediales Verbrechen an der Menschlichkeit zu erkennen sind.
Aber da muss man schon sehr weit gehen. Viel weiter als es Jan Böhmermann aus Vegesack Gröpelingen bislang gewagt hat. Ihm den Schneid abkaufen zu wollen, erscheint mir ein schlechtes Geschäft für die Gesellschaft.
Beim Böhmermann-Bashing lernen wir allerdings die Grenze der Erklär-Kraft von Aufmerksamkeitsökonomie-Modellen kennen. Weil es eben um mehr geht als Markwerte von öffentlichen Akteuren. Medien sind Mittel der Demokratie. Ihr Goldstandard ist wahrhaftige Kommunikation. Ohne Mut ist der nicht zu sichern.
Böhmermann! Wer ist J.B.? Ein Wichtigtuer, mehr nicht.
Auf welche Weise existiert „Meinungsfreiheit“? Doch nur, wenn man alleine in den Keller geht, wo niemand einen hört, und dort zu den Kartoffelsäcken und den Eierkohlen redet. Wenn die viel beschworene „Meinungsfreiheit“ nicht in moralische Phantasie eingebettet ist, dann ist sie einen Dreck wert. Böhmermann mißbraucht den Begrff in abartiger Weise. Wir haben so was schon mal erlebt. Böhmermann pflegt so einen privaten Hitlerismus!!! Das ist gefährlich!