CES – Die Zukunft wird echt smart

Old Tool für Old School

Old Tool für Old School

Entrümpeln ist eine spezielle Art des Bilanzierens. Das habe ich jetzt auf dem Dachboden gelernt. Dort wo beispielsweise die ausrangierten journalistischen Arbeitsgeräte lagern. Die Zukunft von einst – elektrische Schreibmaschinen mit Korrektur! – sowie meine alte mechanische Reiseschreibmaschine. Die werfe ich nicht weg. Komme da, was da wolle. Und sei es von der Consumer Electronics Show in Las Vegas.

Ich fand also die alten Schreibmaschinen nebst einem früheren Laptop vom Gewicht eines Klein-Lasters. Dazu noch jede Menge Alt-Handys, Palms und Elektroschrott. Solche Funde stimmen gerätephilosophisch. Es bleibt doch einiges zurück beim gegenwärtigen Tempo des digitalen Fortschritts.

Wir will, kann das derzeit in den Berichten aus Las Vegas besonders bestaunen. Amerika bleibt wohl für digitalen Medienwandel Innovations-Inspirationsquelle Nummer eins. Und die Consumers Electronics Show (CES) führt uns Technik sinnlich vor Augen. Trend-Scouts melden: Bald leben die Menschen im medial „Connected Home“ und gehen im Wortsinne online, mit Hilfe von „Wearable Divices“. Smarte Autos, Datenbrillen oder vernetzte Uhren – oft versprochen. Jetzt sind sie da und reif.

Was die neuesten Fernseher betrifft, so gleicht die CES immer noch ein bisschen dem Haute Couture-Laufstegen von Paris, auf denen unerreichbare Models untragbare Kleider zu unbezahlbaren Preisen vorführen. UHD-Bildschirme zeigen gestochen scharfe, plastisch dreidimensionale Bilder. So wirkt die Virtualität bald realistischer als die Wirklichkeit.

Aber wozu eigentlich noch einen Unterschied machen? Wenn der Platz auf der Erde eindeutig begrenzt (jährlich kommen nur ein paar Tonnen Meteoritenstaub dazu) und das All etwas teuer zu besiedeln ist, wird der Cyberspace eben zum tatsächlichen Weltenraum. Schon länger wird uns ja das „Internet der Dinge“ angekündigt. Nun sollte man es endlich ernst nehmen.

Angesichts der in  Vegas greifbaren Aussichten gibt es natürlich die üblichen Möglichkeiten der Reaktion: Schreck oder Vorfreude. Die beste Haltung – skeptische Neugier – gilt vielen als zu kompliziert. Vor allem als zu langsam. Wo soll die Zeit herkommen, nach dem Sinn und vor allem den Folgen von Chips in Babykleidung zu fragen? Zugegeben, das wäre genau meine Haltung.

Natürlich präsentiert sich die Konsumenten-Elektronik erst mal als Verkaufsshow. Also nicht gleich so bierernst nehmen. Weder füllt uns schon morgen R2D2, Smartphone gesteuert, den Kühlschrank mit Biowertvollkost aus dem Senegal. Noch führt ein WLAN-Ausfall unmittelbar zum Tod des vernetzen Menschen. Vermutlich kommt es sowieso ganz anders als wir heute vermuten.

Dennoch – Apps wie die zum „Live logging“ (der Daten-Selbstvermessung)  bringen die Grundfragen auf den Punkt: Was machen die Menschen aus den Möglichkeiten und was machen die Optionen aus den Personen? Die Kommunikation von Menschen und Maschinen überlagert langsam, aber sicher die direkte Verständigung. Sich zu vernetzen ist im Grunde ein uralter Prozess, zu dem auch eine Vereinsgründung gehört. Aber die technische Dominanz, diese allumfassende Medien-Dominanz bis ins Privateste… Mannomann.

Viele Lebensplaner auf der CES vermitteln die Botschaft: In Zukunft ist der Mensch permanent online – oder aber Amish. Digital oder doof. Und blöderweise ist da ja etwas dran. Wir erhalten künftig tolle Möglichkeiten, unsere Welt zu gestalten und uns zu unterhalten. Aber das wird uns mehr Nachdenken abverlangen als wir heute vermutlich ahnen. Wenn wir nicht alles den Maschinen überlassen wollen.

Für das Neue öffnen und gleichzeitig das menschliche Maß wahren. Eine humane Autonomie behaupten – darin liegt die Herausforderung. Wir sollten uns die Möglichkeit erhalten, auch offline zu existieren. Nicht dass ich meine Schreibmaschine im publizistischen Alltag vermisse. Aber entsorgen will ich sie eben auch nicht. Weil sie mir ein irrationales Back-up-Gefühl vermittelt.

Alternde Menschen brauchen das vielleicht. Sollte also das fehlgeleitete Signal eines intelligenten Schmortopfes den Dritten Weltkrieg auslösen, wäre ich für die entsprechende Endzeit-Reportage gerüstet. Soweit live vom Dachboden.

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