Gerade noch fiktional, nun real. Gestern habe ich am Beispiel eines realistischen Thrillers über bedrohten Journalismus gepostet – gleich darauf holte mich die deutsche Wirklichkeit ein: Den Bloggern Markus Beckedahl und Andre Meister von Netzpolitik.org könnte es an den Kragen gehen: Ermittlungsverfahren wegen Landesverrats. Eine Machtdemonstration alter Autoritäten. Und gleichzeitig ein Schwächeanfall.
Natürlich liegen die Fälle weit auseinander, nicht nur geografisch: In Mexiko ist die Lage für Medienschaffende lebensbedrohlich. Hierzulande geht es „nur“ um die bürgerliche Existenz von Bloggern. Andererseits: Nahezu einhellig wird das Agieren von Verfassungsschutz und Generalbundesanwaltschaft als Einschüchterungsversuch gegen Journalisten und Informanten bewertet. Als Drohung. Als Machtdemonstration. Als Zeichen der Stärke.
Aber ich sehe den Vorgang eher als Schwächeanfall. Mit dem antiquierten Vorwurf des Landesverrats bemühen sich Behörden, ihre weitgehend verlorene Autorität wiederherzustellen. Was nicht gelingen kann. Das Vorhaben wird scheitern, nicht nur weil es Paragrafen überstrapaziert. Sondern weil die Urheber das Problem nicht zu erkennen scheinen, ihr Problem: Vertrauensverlust.
Hochgerüstete Spionage-Apparate, die mordende Nazibanden nicht erkennen und Geheimdienste, die weder Kanzlerin noch Bürger vor illegaler Überwachung schützen können? Exekutive, Legislative, Justiz und vielleicht auch Alt-Medien – drei Gewalten plus Zusatzzahl bekommen scheinbar selbst im Nachhinein die Affären nicht in den Griff.
Wen kann es da wundern, dass die Zivilgesellschaft aufbegehrt und das Sturmgeschütz der Demokratie nunmehr aus dem Netz feuert? Der viel beachtete Blogger Dirk von Gehlen hat den Themenkomplex auf eine simple Frage zugeschnitten: „Auf welcher Seite stehst Du“
Meine Antwort: Erstens im Zweifel selbstverständlich auf Seiten der Pressefreiheit! Zweitens stehe ich gerade im Niemandsland.
Denn mein persönliches Ideal des kontinuierlichen Wandels, des Ausgleichs von Tradition und Innovation, spielt in dieser konfrontativen Lage keine Rolle mehr. Es geht ganz offensichtlich nicht darum, wo die Rechte von Journalisten billigerweise ihre Grenzen haben. Die alte Ordnung schlägt einfach um sich, während allerdings eine neue leider noch nicht in Sicht ist. Misslich.
Aber was soll´s?
Staatliche Stellen vertiefen nun erst einmal durch das Ermittlungsverfahren einen Graben, der sich seit Langem zwischen alter und moderner Gesellschaft auftut. Der Umgang mit politischer Öffentlichkeit spielt dabei die zentrale Rolle. Weil hier um Deutung gefochten wird, aber auch, weil der digitale Wandel eine Revolution der Kommunikation ist.
So kommt auf den Punkt, dass diese Gesellschaft als Ganzes in zentralen Fragen nicht mehr weiter weiß. Wie gleichen wir Sicherheit und Freiheit in der digital vernetzten Welt aus? Den einen machen die enormen Potenziale des Cyberspace Angst und sie sehnen sich heimlich nach einer Schutzmacht. Und die anderen fürchten genau den Preis dafür, nämlich die totalitäre Überwachung. Solche Idealkonkurrenzen auszugleichen, erfordert enorme demokratische Kultur. Tja …
Mit Anzeige und Ermittlungsverfahren werden deren treibenden Kräfte vermutlich genau das Gegenteil dessen erreichen, was bezweckt war: Sie beschwören Widerstand herauf und erzeugen einen öffentlichen Druck, der eher Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen aus dem Amt treiben dürfte als Netzpolitik.org zum Schweigen zu bringen. Wenn Autoritäten aus der SPIEGEL-Affäre der 60er Jahre eines gelernt haben könnten, dann das: Mit solchen Aktionen macht man aus Gegnern Märtyrer.
Der „Gewinn“ dieser Netzpolitik-Affäre wird also wohl kaum in der Wiederherstellung alter analoger Ordnungen bestehen, sondern könnte darin liegen,, einem verborgenen Konflikt um die digitale Gesellschaft der Zukunft endgültig zum Ausbruch verholfen zu haben.
[…] wurde eingestellt. Man musste kein Prophet oder Volljurist sein, um diesen Ausgang zu ahnen. Also kam es, wie es kommen musste. Alles in Ordnung? Nein eher in […]