2017: Drei Sorgen und ein Hoffnungsfall

Hört! Hört? (F: Public Domain/GoogleCulturalInstitute)

Hört! Hört? (F: Public Domain/GoogleCulturalInstitute)

Bald wird es das gewesen sein, 2017. Dieses seltsame Jahr hat die Welt ein weiteres Stück wirrer gemacht, manch üble Tendenz verstärkt, aber auch rettende Gedanken befördert. Was bleibt? Drei Sorgen und ein Hoffnungsfall.

Mein Schlüsselerlebnis in diesem Jahr war beiläufig bis banal. Zugegebenermaßen ein fast kindliches Erstaunen, oder besser: Erschrecken. Und zwar darüber dass man Journalisten, die sich mit halbseidenen Tricks behördliche Informationen verschaffen wollen, am besten per Kopfschuss erledigt. Sowas gehört für populäre Smartphone-Ego-Shooter offenbar zum normalen Setting im „Kampf gegen das Verbrechen“. Mir waren diese Spielregeln 4.0 neu.

Diskussionsklima: Der Deutungskampf wird sich weiter brutalisieren

Obwohl es mich eigentlich nicht hätte überraschen dürfen. Zum Thema Diskussionskultur im medialen Raum gibt es ja jede Menge Analysen, Erklärungsmodelle und Therapievorschläge. An der Tendenz zur Eskalation hat das bislang wenig geändert. Im Gegenteil: Nach meinem Eindruck werden selbst privat geführte Debatten immer fundamentaler, immer brutaler.

Wohl einfach, weil es geht. Verbale – oder symbolische – Gewalt lässt sich heute verführerisch leicht öffentlich auszuüben: Bewegungen gegen Etablierte, Alternativmedien gegen Systempresse, Verschwörungstheoretiker gegen Gutmenschen. So entkommt keine wichtige Debatte mehr dem Polarisierungssog. Es gilt, sich gegeneinander durchzusetzen anstatt sich miteinander auseinanderzusetzen.

Mediensystem:  Der Verteilungskampf ÖR – Private wird zur Vernichtungsschlacht

Selbst das Nebeneinander hat kaum noch Konjunktur, wie das latent aktuelle Ringen zwischen Verlegern und Öffentlich-Rechtlichen lehrt. Vorbei die seligen Zeiten, als öffentlich-rechtliche Sphäre und privater Zeitungslandschaft noch säuberlich getrennt waren. Fast vorüber scheint nun auch die Phase des knirschenden Dualen Systems. Jetzt erleben wir die Konvergenz der Probleme der Systeme.

Schrille Schreie sind dabei weder Zufall noch auf Deutschland beschränkt. In der Schweiz geht es sogar existenzieller zu. Obwohl der Tiefschlag „gebührenfinanzierte Staatspresse“ (Springer-Chef Mathias Döpfner) hierzulande schon gut saß. Hintergrund der Gereiztheit ist eine globalisierte Medienordnung, die den publizistischen Wettbewerb mit dem ökonomischen gleichsetzt.

Deshalb passen gemeinwohlorientierte Anstalten und gewinnorientierte AGs einfach nicht mehr auf dasselbe Handlungsfeld. Auf Dauer wird ein Akteur weichen müssen. Nach dem Willen des Springer-Konzerns wären das die Öffentlich-Rechtlichen, damit der Verlag sich den eigentlichen Gegnern zum Endkampf stellen kann. Global.

Gesellschaft:  Die digitale Naivität wird vorläufig enden

Schließlich dreht sich die ganze Welt doch um Information und Kommunikation. Wir vernetzten Menschen halten tagtäglich die mächtigsten publizistischen Tools der Geschichte in Händen. Allerdings scheint immer noch nicht klar, ob wir sie im Griff haben – oder sie uns.

Zum Jahresausklang mehren sich eher die Töne in Moll: Facebook macht einmal mehr deutlich, wer die Regeln aufstellt für die Sichtbarkeit im Sozialen. Die entscheidende Behörde FCC in den USA gibt die Netzneutralität des Datenstroms zugunsten des Geldstroms auf. Und das mächtige China demonstriert, wie ein digitales soziales Kontrollsystem funktioniert.

Der Optimismus – oder Pragmatismus – gegenüber dem Internet mit all seinen Vorzügen muss darunter nicht leiden. Aber mit den naiven Hoffnungen dürfte es langsam vorbei sein. Denn es gibt tatsächlich so etwas wie Master Switches, an denen sich spürbar drehen lässt. Unter Cyber Space kann man so einiges verstehen. Ein herrschaftsfreier oder interessensloser Raum ist er jedoch auf keinen Fall.

Es wird der geschätzten Leserschaft bis hierhin aufgefallen sein: Zieht man angesprochenen sorgenvollen Tendenzen mit einem Lineal in die Zukunft, dann müsste es ziemlich abwärtsgehen im Jahre 2018. Aber gerade weil diese Art der Prognostik selten hinhaut, besteht Hoffnung. So dumm kann es doch nicht weiterlaufen.

Medienkompetenz: Journalismus sollte Schule machen

An solchen Punkten wird Friedrich Hölderlin gern genommen. Sie wissen: „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.“ Wenn kluge Köpfe die Medienentwicklung konstruktiv in die Zukunft denken, sprechen sie zum Beispiel von einer „redaktionellen Gesellschaft“. Mit diesem Begriff hantiert etwa Cordt Schnibben, preisgekrönter Autor des SPIEGEL und Rollenmodell.

Unter dem Dach des gemeinnützigen Projektes Correctiv will er Praxis-Module für Journalismus anbieten. Eine Reporterschule, offen für alle, nach dem simplen Prinzip: Konstruktiv kritisieren, vielleicht  sogar ändern lässt sich eigentlich nur etwas, was man kennt und kann.

Besonders spannend: Die Initiative steuert eine Schlüsselposition der Gesellschaft an: die Schule. Nicht die übliche PR-Aktion für das Prinzip Zeitung oder Erziehungsmaßnahme zur Rundfunknutzung. Nein, es geht um dauerhafte konkrete Selbsterfahrung mit journalistischem Handwerk für Lehrende und Lernende. Übrigens ein Lernprozess für alle Seiten, Medienpartner inklusive.

Bedarf besteht. Für nächstes Jahr ist Einiges an Initiativen angekündigt. Wenn ich Zeit und Gelegenheit finde, werde ich das einmal ausführlicher darstellen. Einer meiner besseren Vorsätze für 2018, auf das ich mich auch irgendwie freue.

 

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