Geschafft! Willkommen 2015! Es braucht keinen Propheten für so eine Vorhersage: Auch in diesem Jahr wird die Medienentwicklung uns mit noch mehr Informationen in noch höherer Geschwindigkeit befeuern. Also cool und achtsam bleiben. Vorsätzlich. Heißt: Die richtigen Fragen zu den wichtigen Themen stellen: Macht, Vertrauen, Öffentlichkeit und Eigeninteresse.
Macht: Wer codiert die Regeln?
Wenn wir Daten als das „neue Öl“ deuten, wenn wir im Internet das globale soziale Betriebssystem vermuten, dann sollten wir immer wieder fragen: Wer stellt die Regeln unserer Kommunikation für die digital vernetzte Gesellschaft auf? Denn wer die Sprache prägt, wird das Sagen haben.
Weil diese Welt mit all ihren Interessen und Konflikten digital programmiert ist, wird genau diese Sprachregelung zum Machtinstrument. Insofern müssen wir uns sehr dafür interessieren, wer sie festlegt. Begriffe wie „Netzneutralität “ (die eine ehrenwerte Hoffnung ausdrücken) täuschen ein wenig darüber hinweg, dass es gar keine neutralen Strukturen geben kann. Weil irgendwer sie gemacht hat.
Häufig wird in Diskussionen leider so getan, als wäre die digitale Entwicklung ein Naturschauspiel oder ein quasireligiöser Offenbarungsakt. Faszinierend, komplex und schwer vorhersehbar ist der Digital Change zweifelsohne. Nur handelt es sich ebenso auch um einen „Nerd Attack“. Technologisch-ökonomischer Eliten (jüngerer Generation) fordern die etablierte Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung heraus. Oder um eine Abwehrschlacht der Altmedien gegen die Kräfte der Zukunft. Je nach Blickwinkel.
Am praktischen Beispiel: Beim Streit um die Macht oder Ohnmacht von Google geht es nicht darum, ob es Regeln für das Internet geben soll, sondern wer sie gestaltet. Deutsche Verleger schieben den Gesetzgeber vor und Google die Freiheit des Wettbewerbs. Die einen wollen ihre Interessen durch ein Leistungsschutzrecht schützen lassen, während den anderen die eigenen Geschäftsbedingungen dazu reichen.
Vertrauen: Wer soll uns informieren?
Somit kommt es jetzt darauf an, die Zusammenhänge, die Hintergründe möglichst weitgehend offen zu legen. Oder sagen wir bescheidender: bewusst zu machen. Die neuen Machtverhältnisse ergeben sich jedenfalls weder von selbst noch per Urabstimmung. Insofern geht es darum, die Gestalter der Zukunft zunächst einmal zu identifizieren.
Dabei ist es letztlich zweitrangig, ob man es sich um die geschäftstüchtigen Hippies des Silicon Valley handelt oder um twitternden Abgeordnete in Brüssel und Straßburg. Ob Chaot, Krämer oder Kanzlerin, ob Anarchisten, Technokraten oder Bürokraten. Viele, nein, alle beteiligen sich am Kampf um symbolische Macht.
Um Medienmacht. Welche Rolle spielen dabei noch Journalisten, deren Vertrauensbasis in der Gesellschaft ausgerechnet – und verdächtigerweise – jetzt wegzubrechen scheint? Zum einen, weil Interessierte von allen Seiten auf ihr Feld drängen. Und zum anderen, weil Kommunizieren unter den neuen Bedingungen wohl viele Akteure und Institutionen überfordert.
Immerhin hat sich der Berufstand quasi eine Arche Noah gezimmert und auf den Namen „Krautreporter“ getauft. Um diese edlen Federn muss sich eigentlich niemand Sorgen machen. Sie profitieren von ihrem Image und von der Neugier ihrer Gemeinde. Dazu zählen übrigens überdurchschnittlich viele Medienleute, mich eingeschlossen.
Allerdings: Das Gros der Journaille stellt sich die durchaus bange Frage: Wohin geht die Reise? Was wird aus dem Anspruch, „Journalismus im Netz“ zu ermöglichen? Nicht zuletzt: Was kostet die schöne neue Content-Welt? Und wem bringt sie etwas, außer dem Berater-Business?
Öffentlichkeit: Wer stellt sie her?
Nicht nur im Journalismus und nicht nur bei den Krautreportern: Eine zentrale Devise der vernetzten Gesellschaft lautet wohl: „Willst Du gehört (und bezahlt) werden, dann stifte eine Gemeinde.“ Eine Community, moderner gesagt. Dort gibt es dann Wortführer, dort wird der Zehnte entrichtet und da wird aufrichtig (und manchmal ein bisschen eigennützig) missioniert. Natürlich zum Wohle aller.
Ein enorm bedeutender Trend: Fragwürdig bleibt, ob diese interessanten (Salon-) Öffentlichkeiten das Selbstgespräch der Gesellschaft retten können. Denn die braucht einen Ort, um die drängenden große Fragen – von Ökologie über Ökonomie bis zum Weltfrieden – zu verhandeln.
Es ist die eine Sache festzustellen, dass „Altmedien“ überfordert sind und angejahrte Journalisten/innen sowieso. Eine ganz andere Herausforderung liegt in der Antwort auf die Frage nach einer Alternative. „Disruption“, also die viel zitierte (schöpferische) Zerstörung der maroden Medienwelt durch vollendete Vernetzung, bleibt erst mal eine oft wolkige Behauptung. Cloud-Sourcing der Hoffnung.
Bodennah dagegen die Frage: Wenn wir dem bisherigen Mediensystem den Grund entziehen, auf welchen Plattformen landen wir dann? Zu welchen Bedingungen?
Eigeninteresse: Wo liegt mein blinder Fleck?
Wer bis hierhin mitgelesen hat (herzlichen Dank!), dem will ich bekennen: Ich habe hier gerade nicht unschuldig Fragen aufgeworfen, sondern gleich meine Weltsicht eingeschmuggelt. Das läuft immer so in der menschlichen Kommunikation, die eine seltsame Mischung von Offenbarung und Tarnung ist.
Ja, zugegeben: Ich sehe einen beinharten globalen gesellschaftlichen Machtkampf um Medienherrschaft in vollem Gange. Und ich betrachte das mit ältlicher Sorge: Ein Ringen um Regeln, in dem die Akteure mit Worten klingeln, dass es eine Art hat. Egal, ob „Innovation“ oder „Tradition“ draufsteht, es ist immer Eigeninteresse drin.
Mein Vorsatz für 2015: achtsam sein und alle Positionen hinterfragen. Auch die eigenen. Prosit!
Deine Meinung ist uns wichtig